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Rezension zu
Sex und Lügen

Ein Plädoyer für Mut und Recht

Von: Buchberührung
08.10.2018

Ich habe mich gefragt, wie und ob es möglichst objektiv gelingen kann, einen feinfühligen und zugleich aufrüttelnden Text über die Thematisierung von weiblicher Sexualität im islamischen Kontext zu schreiben. Denn es handelt sich nicht nur um ein heikles Thema, das es mit Vorsicht zu entfalten gilt, vielmehr bedarf es bestimmten Quellen, die Auskunft über die Situationen von Betroffenen geben ohne sie zu entblößen oder in Gefahr zu bringen. Leila Slimani ist eine Annäherung an dieses Thema unverkennbar geglückt. Ihr neues Werk ist ein nachdrückliches Plädoyer für die Freiheit individueller Sexualität. Die Texte von Slimani gehen unter die Haut. Das erzählerische Tabubrechen zählt zu den Hauptthemen ihres Werkes. Nachdem sie 2014 in Dans le jardin de l’orge das verstörende Porträt einer Nymphomanin zeichnet und Ende 2017 in Dann schlaf auch du die ambigue Mutterrolle in der modernen, westlichen Gesellschaft diskutiert, liefert sie nun mit Sex und Lügen. Gespräche mit Frauen aus der islamischen Welt starken Stoff für die aktuellen Debatten um Feminismus und #metoo. Slimani positioniert sich mit diesem Band strikt gegen die fortwährende Unterdrückung der Frau im islamischen Land Marokko. In einer Ansammlung von persönlichen Geschichten verschiedener Frauen, lässt sie Freundinnen, Prostituierte und Leserinnen zu Worte kommen, die in intimen Berichten ein destruierendes Gesellschaftssystem angreifen, das vor allem Frauen essentielle sexuelle Rechte abspricht. Dabei geht es der Autorin, wie sie im Intro einführt, weniger darum, einen soziologischen Essay, sondern die Gedanken und Worte betroffener Frauen zunächst „ungefiltert“ darzulegen. Dazu gehören ebenso enttabuisierende Versprachlichungen von Traumata und Träumen wie Wut, Angst und schließlich Hoffnung. Dabei treffen Erzählungen von pubertierenden Verliebtheiten junger Mädchen auf erschreckende Details, die von lähmender Angst beim harmlosen Händchenhalten berichten oder fehlgeleiteter elterlicher Fürsorge, die jegliche emotionale Wünsche zu hindern sucht. Ganz im journalistischen Stil stellt Slimani den privaten emotionalen Bekenntnissen unanfechtbare offizielle und inoffizielle Fakten entgegen: „Der Begirff h’chouma“, schreibt die Autorin eingangs, „in etwa übersetzbar mit ‚Schande’ oder ‚Scham’, der jedem von frühester Kindheit eingetrichtert wird, bildet eine weitere Säule der marokkanischen Gesellschaft“, und verweist damit auf moralisch-gesellschaftliche Grenzziehungen, deren Verstoß strafgesetzlich geahndet wird. So wird jede Form außerehelichen Beischlafs laut des marokkanischen Strafgesetzbuches mit Haftstrafen bis zu einem Jahr und Fälle von Ehebruch bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft. Erschreckende Realität. Leila Slimani desavouiert damit ein tyrannisches Gesellschaftssystem, das etliche Menschen unterdrückt und fordert mit den mutigen Berichten einzelner Frauen Aufmerksamkeit für ein menschenrechtsverletzendes Gesellschaftsumfeld, gegen das es zu rebellieren gilt. Bitte lesen!

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