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Kate Furnivall - Bis ans Ende des Himmels

SPECIAL zu Kate Furnivall

Eine Liebe in Zeiten des Schreckens

Rezension von Manuela Haselberger

Die englische Autorin Kate Furnivall, geboren 1950, hat ihr Thema gefunden – in der Sparte der historischen Romane ist sie dabei sich einen großen Namen zu machen. Zu ihrem ersten auf Deutsch erschienenen Buch „Die russische Konkubine“ inspirierte sie das abenteuerliche Leben ihrer Mutter, die in ihrer Kindheit aus dem zaristischen Russland nach China flüchten musste. Ihr zweiter Ausflug in die Geschichte trägt den Titel „Bis ans Ende des Himmels“ und spielt 1933 in einem sibirischen Arbeitslager während der Schreckensherrschaft Stalins.

Arbeitslager in Sibirien
Die jungen Frauen Sofia und Anna lernen sich im Lager „Dawinsky“ kennen. Mit sechshundert weiteren Mitgefangenen werden sie dazu gezwungen während des sibirischen Winters unter unvorstellbaren Bedingungen eine Straße zu bauen. Mit völlig unzulänglichen Werkzeugen ausgestattet und bei Temperaturen von zwanzig bis dreißig Grad unter Null ein unmögliches Unterfangen. „Ebenso gut hätten sie versuchen können, mit einem Teelöffel ein Kohlebergwerk anzulegen.“

Ohne gegenseitige Hilfe wäre es für keine der beiden möglich, die zehn Jahre Arbeitslager zu überstehen, zu denen sie verurteilt wurden. Ihr Verbrechen?

Anna und Sofia kommen aus den falschen Familien. Annas Vater war Arzt und wurde erschossen, weil er als Aristokrat dem Klassenfeind angehörte. Sofias Vater wurde ebenfalls getötet, da auch er als Priester nicht in die neue stalinistische Gesellschaft passte.

Flucht durch die Taiga
Anna ist am Ende ihrer Kraft. Ihre Lungen versagen immer häufiger und wenn sie nicht in der Lage ist zu arbeiten, erhält sie von den Wachen auch kein Stück Brot. Am Leben erhält sie einzig ihre Liebe zu Wassili, ihrem Jugendfreund, zu dem sie jedoch jeden Kontakt verloren hat.

Um ihre Freundin Anna zu retten, denn einen weiteren Winter wird sie mit Sicherheit nicht im Lager überleben, beschließt Sofia zu fliehen, um Wassili unter allen Umständen zu finden. Er soll ihr helfen Anna zu befreien. Ihre gefährliche Flucht gelingt, und nach einem abenteuerlichen Fußmarsch durch die Taiga bringt es Sofia tatsächlich fertig, ihn in einem kleinen Dorf aufzustöbern.

Freund und Feind
Mittlerweile ist Wassili Fabrikdirektor und lebt mit seinem Sohn in einer abgeschiedenen Welt, die streng nach stalinistischen Grundsätzen funktioniert. Aber die Menschen dort nutzen trotzdem jede Lücke des Systems und schaffen in ihrer Not beispielsweise Weizensäcke zur Seite, damit sie nicht hungern müssen, doch nach außen hin lässt sich keiner etwas zuschulden kommen. Kann Sofia Wassili vertrauen? Denn wenn er sie als Flüchtling aus einem Zwangsarbeitslager melden würde, gäbe es keine Hoffnung für sie und Anna.

Eine weitere Schwierigkeit ist Pjotr, Wassilis Sohn. Er ist von der neuen Gesellschaft zutiefst überzeugt; der Elfjährige hat es nicht anders in der Schule gelernt. Und noch eine Sache, mit der niemand rechnen konnte: Sofia findet ihre große Liebe - ausgerechnet in Wassili. Wird Sofia trotz aller Gefahren und emotionaler Verstrickungen ihr Versprechen einlösen und ihrer Freundin Anna helfen? Immer wieder findet sie zunächst eine neue Ausrede, warum der Zeitpunkt für eine Rückkehr ins Lager gerade gar nicht günstig erscheint.

Moral und Diktatur
Kate Furnivall hat die Gabe mit ihren Figuren und Schauplätzen, das zaristische Russland ebenso zum Leben zu erwecken, wie die Schreckensherrschaft Josef Stalins. Besonders eindrucksvoll ist die Rolle der Sofia, die zusammen mit dem Zigeuner im Dorf gewitzt ihre teils übersinnlichen Kräfte gegen die engstirnige Obrigkeit einsetzt.

Doch die Stärke von Kate Furnivall liegt eindeutig im Schildern der familiären Verhältnisse. Was geschieht denn, wenn der Vater einer Familie getötet wird? Wie finden sich die kleinen Leute in der neuen gesellschaftlichen Ordnung zurecht? Und ihr Hauptanliegen: Wie verändert sich die Moral eines einzelnen unter so widrigen äußeren Umständen? Darf man für eine bessere Gesellschaft zum Verräter an den nächsten Angehörigen werden? Diese spannenden Fragen verpackt Kate Furnivall in ein opulentes Historienepos und erzählt es als große, farbige Liebesgeschichte.

Ein Roman, der russische Geschichte zum Leben erweckt.

Manuela Haselberger
(bookinist.de)
Geislingen, Juni 2008