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SPECIAL zu James Pattersons Krimireihe »Club der Ermittlerinnen«

Henker ohne Richter

Rezension von Bianca Reineke

Der Bestsellerautor James Patterson, der zahlreiche hoch spannende Thriller um den Polizeipsychologen Alex Cross verfasst hat, scheint vor einiger Zeit die weiblichen Aspekte seiner Seele entdeckt zu haben und präsentiert seitdem der begeisterten Leserschaft eine ganz wunderbare Krimireihe. Im Mittelpunkt der Romane steht eine echte Powerfrau, voller Ehrgeiz und Energie, die dennoch mit Leib und Seele Frau ist.

Lieutenant Lindsay Boxer ist der einzige weibliche Inspector in leitender Position beim San Francisco Police Department und benötigt eine Menge Durchsetzungsvermögen, um sich gegen die männliche Übermacht und deren machohafte Denkweisen durchzusetzen. Mit mädchenhaftem Charme und eleganten Businesskostümen ist da kein Durchkommen. Die selbstsichere Lindsay macht ihren Job, ist konsequent, nervenstark und gelegentlich knallhart. Dass sie dabei nicht zum abschreckenden Flintenweib wird, sondern trotzdem eine weiche, weibliche Seite behält, ist ihrem Schöpfer Patterson zu verdanken, der sich auf ganz erstaunliche Weise in diese Frau hineinzudenken vermag.

Frauenpower im Police Department
Patterson lässt seine Heldin inmitten der aggressiv-männlichen Atmosphäre der Mordkommission echte Frauenfreundschaft erleben. Gemeinsam mit ihren drei besten Freundinnen gründet sie den "Club der Ermittlerinnen", einen kriminalistischen Frauenstammtisch. Bei eiskalten Margaritas treffen sich Lindsay, die Gerichtsmedizinerin Claire Washburn, die Journalistin Cindy Thomas und die Staatsanwältin Jill Meyer-Bernhard regelmäßig in ihrem Stammlokal, um aktuelle Fälle zu diskutieren und im privaten Rahmen Informationen auszutauschen. Die Vier sind auf diese Weise ihren ermittelnden Kollegen oftmals um Meilen voraus, wenn es darum geht, einen Mörder dingfest zu machen.

Die Damen vom "Club der Ermittlerinnen" verbindet eine tiefe Freundschaft voller Herzlichkeit und Wärme; sie sind es, die der Singlefrau Lindsay, deren kurze Ehe scheiterte und deren große Liebe ermordet wurde, die Familie ersetzen. Nach dem Tod ihrer Mutter hält sich der Kontakt zu ihrer einzigen Schwester in Grenzen, und Vater Boxer, der die Familie schon früh verließ, taucht zwar ab und zu auf, ist ihr aber noch nie eine verlässliche Stütze gewesen.

Als im dritten Band der Serie, "Der dritte Grad", eine der vier Freundinnen brutal ermordet wird, bleibt es fraglich, ob der Club der Ermittlerinnen seine Treffen beibehält. Zu schmerzlich ist der Verlust für die trauernden Freundinnen.

Ein Glas zuviel
Doch im Gedenken an Jill beschließen die drei, weiter zu machen. Und so stoßen sie auf ihre verstorbene Gefährtin an, geloben die Freundin nie zu vergessen und sprechen den Margaritas zu. Ein Glas Alkoholisches zu viel wird denn auch Lindsay Boxer in "Die vierte Frau" zum Verhängnis.

Während eines Treffen mit ihren Freundinnen, bei dem sich Lindsay ihre Sorgen über ihren neuesten Fall, eine brutale Mordserie an jugendlichen Obdachlosen, von der Seele redet, greift sie ein wenig zu oft zum Glas. Als sie dann unerwartet von ihrem Partner Warren Jacobi angerufen wird, der von einer heißen Spur in den Ermittlungen erzählt, springt sie sofort auf und steigt zu dem Kollegen in den Streifenwagen. Wegen ihres vorangegangenen Alkoholkonsums besteht sie darauf, den Wagen nicht selbst zu steuern und setzt sich auf den Beifahrersitz.

In einer gefährlich rasanten Fahrt durch das nächtliche San Francisco verfolgen die beiden den Wagen zweier Verdächtiger; ein Crash zwingt das Fluchtauto schließlich zum Halten. Mit gezückten Dienstwaffen fordern Lindsay und Jacobi die Verfolgten zum Aussteigen auf und stellen entsetzt fest, dass es sich um zwei Teenager, ein Mädchen und einen Jungen, handelt, die hilflos und weinend im Autowrack eingeklemmt sind. Ohne zu zögern stecken die Polizisten ihre Waffen weg und befreien die beiden Jugendlichen.

Tödliche Schüsse
Doch die vermeintlich Hilflosen danken es ihnen schlecht, zaubern urplötzlich Revolver hervor und eröffnen das Feuer auf ihre Retter. Lindsay wird angeschossen, und auch ihr Kollege sinkt getroffen zu Boden. Im Fallen kann sie noch ihre Dienstwaffe ziehen, fordert die Jugendlichen auf, ihre Waffen nieder zu legen und schießt, als die beiden nicht reagieren. Das Mädchen stirbt noch am Tatort, der Junge, ihr Bruder, wird so schwer verletzt, dass er den Rest seines Lebens im Rollstuhl sitzen wird.

Die Nachforschungen des Police Departments ergeben eine klare Notwehrsituation von Seiten der Polizistin, und der junge Täter gesteht unter Schock sogar die Morde an den Obdachlosen. Der Vater der Jugendlichen jedoch, ein einflussreicher Arzt, verklagt Lindsay wegen Totschlags und schwerer Körperverletzung.

Noch während Jacobi im Krankenhaus mit dem Tode ringt und die geschockte Lindsay das schlimme Geschehen zu verkraften sucht, wird sie vom Dienst suspendiert und vor Gericht gestellt. In der ersten Instanz wird die Klage beinahe fallen gelassen. Als aber die Blutprobe, die man Lindsay routinemäßig entnommen hatte, Spuren von Alkohol aufweist, zögert die Richterin nicht lange und verweist den Fall an ein Geschworenengericht. Damit stehen Lindsays Integrität, ihr Job und ihr guter Ruf auf dem Spiel, und die Presse zerreißt die "betrunkene Polizei-Killerin" in der Luft. Nur ihre Freundinnen unterstützen sie nach Kräften und reden ihr zu, die Stadt zu verlassen, um der gegen sie losgetretenen Schmutzkampagne zu entgehen.

Flucht in eine ruhigere Welt
Lindsay reist nach langem Zögern gemeinsam mit ihrer geliebten Hündin "Martha" nach Half Moon Bay, wo ihre Schwester lebt. Dort, ganz in der Nähe von San Francisco und doch in einer ganz anderen, weil beschaulicheren Welt, will die Mittdreißigerin zur Ruhe kommen. Ihre Schwester ist samt Tochter verreist, und so genießt die Polizistin die Einsamkeit und Abgeschiedenheit in deren Haus am Meer.

Nur einer darf den Kokon der Stille und Ruhe durchbrechen und für viel zu kurze Stippvisiten vorbei kommen: Lindsay neue Liebe, Joe Molinari, den sie bei den Ermittlungen in "Der dritte Grad" kennen gelernt hat. Joe arbeitet in Washington als FBI-Agent in der Terrorbekämpfung. Er kann nur wenig Zeit mit seiner Liebsten verbringen, denn er wohnt quasi am anderen Ende der USA und muss ständig auf Abruf bereit stehen. Doch die beiden genießen die seltenen Stunden des Glücks, und Lindsay ertappt sich dabei, wie sie von Kindern und einem Häuschen mit Garten träumt.

Trotzdem gelingt es Lindsay nicht, in Half Moon Bay zu entspannen. Die Furcht vor dem Prozess sitzt ihr im Nacken, und nur der Zuspruch ihrer Freundinnen und die Unterstützung ihrer neuen Anwältin, einer brillanten jungen Juristin namens Yuki Castellano, halten sie aufrecht. Doch nachts schreckt sie aus Alpträumen auf und durchlebt immer wieder die brutale Schießerei.

Grausame Morde im Paradies
Aus ihren quälenden Grübeleien wird Lindsay jäh herausgerissen, als eine weitere, erschütternde Mordserie das beschauliche Half Moon Bay in Angst und Schrecken versetzt. Dieses Mal sind es Ehepaare, die auf grauenhafte Weise den Tod finden: brutal ausgepeitscht und erdrosselt. Die lokale Polizei tappt trotz fieberhafter Suche im Dunkeln, während die Zahl der Opfer stetig steigt.

Als Lindsay von diesen Verbrechen erfährt, wird sie schmerzlich an ihren allerersten Mordfall vor mehr als zehn Jahren erinnert, bei dem ein junger Mann auf genau dieselbe Art und Weise gefoltert und ermordet wurde. Der Mörder wurde niemals gefunden, und so wurde der Fall zu Lindsays persönlichem Alptraum, der sie immer noch verfolgt. Kein Wunder also, dass sie sich sofort auf eigene Faust auf Mördersuche begibt und dabei den ermittelnden Kollegen vor Ort kräftig auf die Füße tritt. Auch von den bald erfolgenden Anschlägen auf ihr Leben, denen sie immer nur knapp entgeht, lässt sie sich nicht abbringen.

Durch ihre offene und herzliche Art gelingt es Lindsay schnell, Freundschaften in der Kleinstadt zu schließen. So lernt sie schon bald die Nachbarin und Freundin ihrer Schwester Carolee samt deren reizender kleiner Tochter Allison kennen, die Lindsay sofort in ihr Herz schließen. Und auch mit dem Automechaniker Keith, dem die Polizistin spontan einen schrottreifen, aber wunderschönen Oldtimer abkauft, den sie in ihrer knappen Freizeit liebevoll restauriert, versteht sie sich gut. Und so bringt sie über ihre neuen Bekanntschaften auf einfache und unkomplizierte Weise mehr über die Menschen im Ort in Verfahrung.

Als Lindsay dem schmierigen Ex-Porno-Star Dennis über den Weg läuft, auf dessen Anmache sie nicht reagiert, und bald darauf den schüchternen Anwalt Bob kennen lernt, ahnt sie nicht, wie nahe sie dem Killer schon ist. Der hat sich bereits gemeinsam mit seinen Komplizen Lindsay als neues Opfer auserkoren. Da können auch die Freundinnen und der Geliebte in der Ferne nicht helfen. Lindsay schwebt in tödlicher Gefahr…

Rasanter Showdown
Erst im Nerven zerfetzenden Schlusskapitel wird das wahre Ausmaß der Tragödie sichtbar. Am Ende wird Lindsay als Heldin gefeiert. Sie siegt nicht nur über die Verbohrtheit der Justiz in ihrem eigenen Fall, sondern findet sogar den Mörder, nach dem sie zehn Jahre lang gesucht hatte. Dennoch ist sie bis ins Mark getroffen, denn ihre Menschenkenntnis hat sie in diesem Fall schmählich getrogen. Entsetzt muss sie feststellen, dass es in ihrem unmittelbaren Umfeld Menschen gibt, die sich zu Richtern und Henkern aufschwingen, Todesurteile fällen und gnadenlos vollziehen.

Bis zu einem gewissen Grad kann Lindsay die Motive der Täter sogar nachvollziehen, denn sie waren in der Vergangenheit selbst Opfer von Gewalttaten, verübt von genau den Menschen, deren Leben sie nun gewaltsam und auf grausame Weise ein Ende setzten. Doch obwohl sie erst vor kurzem selbst einen mühsamen Kampf mit den unberechenbaren Mühlen der Justiz auszufechten hatte, verachtet sie jede Form der Selbstjustiz, vertraut dem Gesetz und verabscheut die selbstherrlichen Allmachtsphantasien der Täter.

Da waren es wieder vier
Dass am Ende dieses großartigen Romans wieder vier Frauen am Stammtisch des Clubs der Ermittlerinnen sitzen, legt der Titel des Buches schon nahe. Doch bis es dahin kommt, beschreitet man gemeinsam mit der unvergleichlichen Heldin einen verschlungenen und atemberaubend spannenden Weg. Durch Lindsay lernt der Leser den Alltag der Großstadtermittler in den USA kennen. Man staunt über das amerikanische Lebenstempo, ist erschüttert von der Grausamkeit der Verbrechen und bedauert die Polizisten ob ihres immensen Arbeitspensums, das kaum Zeit für ein Privatleben lässt.

In auffälligem Kontrast dazu stehen die stimmungsvollen Schilderungen der landschaftlichen Reize und die anrührende Intensität der engen Frauenfreundschaft, die Patterson sozusagen als Bonus serviert. Dieser Gegensatz zieht sich wie ein roter Faden durch diesen spannenden Actionkrimi, der sich durch einen stimmigen Plot, die bunte Vielfalt der Protagonisten und den lebendigen Sprachstil auszeichnet. Und durch eine Heldin, die man sofort ins Herz schließt, und die man nur zu gerne während Ihres nächsten Falls wieder begleiten möchte.

Ein Actionkrimi wie eine rasante Autofahrt durch die Nacht!

Bianca Reineke
Cuxhaven, Dezember 2005

Die 4. Frau - Women's Murder Club

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