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Interview mit Holly Seddon zu »Locked in«, Heyne Verlag

»Locked in« ist eine beklemmende Geschichte über ein ungeklärtes Verbrechen. Wie hat sich die Geschichte entwickelt? Womit hat es für Sie angefangen?

Holly Seddon
© James Seddon
Holly Seddon: Der Funke ist eigentlich mehr über das Thema Koma als über den Kriminalfall übergesprungen. Ich habe eine Radiosendung über Wachkomapatienten gehört und der Befragte sagte, es sei, wie lebendig tot zu sein. Dieser Ausdruck hat mich sehr bewegt und ich habe angefangen darüber nachzudenken, wie es ist, am Anfang seines Lebens zu stehen und dann plötzlich in diesem Zustand gefangen zu sein. Es muss schrecklich schmerzhaft für Angehörige sein, denn irgendwann müssen sie anfangen, ohne den geliebten Menschen weiterzuleben.

Dadurch, dass ich eine eher dunkle Vorstellungskraft habe, kamen mir dann Bilder in den Kopf, von einem Teenager, der nach einem Verbrechen in dieser Situation ist. Von da ausgehend hat sich dann die Idee für den Fall entwickelt.

Sie arbeiten als Journalistin, Sie haben vier Kinder und sind vor kurzem nach Amsterdam gezogen. Wann haben Sie Zeit, an ihren Romanen zu arbeiten?

Holly Seddon: Ja, das ist manchmal anstrengend! Meine drei älteren Kinder gehen schon zur Schule, deshalb versuche ich immer ganz viel zu erledigen, wenn das Baby schläft. Ich bin von Natur aus eher ein chaotischer und unorganisierter Mensch, dem wirke ich entgegen, indem ich mir Ziele für den Tag setze und die kommenden Tage, Wochen und Monate bereits im Vorfeld plane.

Ich verlasse mich vor allem auf meinen iPhone-Kalender und strukturiere Termine. Das hört sich vermutlich sehr langweilig und leidenschaftslos an, aber tatsächlich hilft es mir ungemein, Struktur in meinen Alltag zu bringen. Das schafft mir Freiräume für das Schreiben, in denen ich mir keine Gedanken über Logistisches machen muss.

Das Meiste schreibe ich nachts, wenn die Kinder im Bett sind. Gleichzeitig muss ich zugeben, dass es auch Tage gibt, an denen alles zusammenzubrechen scheint und ich mich aufgrund des Alltaglärms nicht konzentrieren kann. Wenn das passiert, muss ich eben am nächsten Tag noch härter arbeiten. Die Wahrheit ist, ich könnte gar nicht aufhören zu schreiben, sogar wenn ich das wollte. Ich habe immer eine Geschichte in meinem Kopf.

Alex ist Alkoholikerin und Amy eine Wachkoma-Patientin. Was hat Sie dazu inspiriert, zwei so extreme Charaktere für Ihren Roman zu wählen?

Holly Seddon: Amys Zustand ist ein zentraler Pfeiler der Geschichte, der von Anfang an in meinem Kopf war. Alex´ Alkoholismus hingegen kam erst während des Schreibprozesses auf. Es war nicht geplant, aber als ich angefangen habe, den Charakter zu entwickeln und mich zu fragen, warum eine ehemals erfolgreiche Journalistin in einer Kleinstadt anfängt zu ermitteln, hat sich der Gedanke entwickelt, dass sie sich selbst in einer Art Falle befinden könnte.

Wie haben Sie für »Locked in« recherchiert?

Holly Seddon: Ich habe Dokumentationen gehört und angesehen und auch Artikel über Wachkoma-Patienten und die Behandlungsmethoden gelesen. Außerdem habe ich Berichte von Personen gesucht, die aufgrund von verschiedensten gesundheitlichen Problemen unfähig waren, mit ihrer Außenwelt zu kommunizieren, deren Situation sich jedoch zumindest soweit gebessert hat, dass sie ihre Geschichte erzählen konnten.

Wie viel Holly steckt in Alex und wie viel Alex steckt in Holly?

Holly Seddon: Naja, ich war Journalistin, ich liebe es zu laufen und ich muss so leben, dass ich meine Laster kontrollieren kann (in meinem Fall ist es der Hang dazu, unorganisiert zu sein), aber da hören die Gemeinsamkeiten schon auf. Ich habe sehr viel Glück, ich führe eine glückliche Ehe und meine Eltern erfreuen sich bester Gesundheit.

Ich würde sagen, es steckt mehr von mir in Amy – zumindest von mir als Teenager. Ich war auf jeden Fall besessen von Musik, und meine Träume waren größer als die Kleinstadt, in der ich lebte.

Die Geschichte ist über weite Strecken aus der Perspektive von Jake, Amys Freund, erzählt. Wie war es für sie, eine männliche Erzählperspektive einzunehmen?

Holly Seddon: Ich wollte, dass es authentisch und realistisch ist, aber gleichzeitig wollte ich keine Liste von stereotypischen Männerinteressen abhaken. Das wäre grob und durchschaubar gewesen! Am Ende habe ich Jake geschrieben, wie ich jede andere Figur auch schreiben würde, ganz gleich welchen Geschlechts. Ich habe über die Erfahrungen nachgedacht, die er gemacht hat, und wie das seine Sicht auf die Welt beeinflussen könnte. Darüber, was ihm wichtig ist, und wie weit er gehen würde, um diese Dinge zu schützen.

Sie schreiben derzeit an einem neuen Roman. Können Sie uns schon etwas darüber verraten?

Holly Seddon: Ja, das stimmt, und es macht mir viel Spaß, eine neue Gruppe von Charakteren und ein neues Setting zu erkunden, in diesem Fall Manchester. Eine Stadt, die ich immer lieben werde, da es der Ort ist, an dem mein Ehemann gelebt hat, als wir uns kennenlernten.

Es wird um Musik gehen – man kann kein Buch über Manchester schreiben und dann Musik nicht thematisieren – und es behandelt Charaktere, die in ihrer Kindheit Opfer tragischer Ereignisse waren und auf sehr ungesunde Weise damit umgehen. Eine der Figuren wird von den Entscheidungen, die sie in ihrer Vergangenheit getroffen hat, verfolgt und in Gefahr gebracht.

Letzte Nacht, als alle anderen schon geschlafen haben und mein Laptop die einzige Lichtquelle im Raum war, habe ich daran geschrieben und mich ziemlich gegruselt. Ich denke, das ist ein gutes Zeichen!

Copyright: Heyne Verlag