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Ildefonso Falcones »Die Pfeiler des Glaubens«

SPECIAL zu Ildefonso Falcones »Die Pfeiler des Glaubens«

Ein Leben zwischen Christentum und Islam

Eine Buchempfehlung von Holger Sweers

„Das Paradies liegt in al-Andalus. Die Tage sind ein Lächeln. Die Nächte sind Lippen, die sich zum Kuss runden. Ein jeder Duft ist wie eine Liebesflechte.
Ach, wie sehne ich mich nach al-Andalus ...“
Aus „Andalusischer Diwan“ von Ibn Chaf Adscha (1085–1139)

„Nazarener“, so nennt man ihn im Dorf. Anders als die meisten anderen „Neuchristen“ hat Hernando keinen islamischen Namen. Dabei kennt er den Glauben seiner Väter besser als irgendjemand sonst –dank seines väterlichen Freundes Hamid, Nachfahre des letzten Herrschergeschlechts von Granada. Doch seine blauen Augen erinnern seine geliebte Mutter Aischa und all die anderen stets daran, dass er die Frucht einer Vergewaltigung durch einen Christen ist – einen Priester. Und so blickt seine Stiefgeschwister mit Verachtung auf ihn herab, sein Stiefvater Ibrahim verfolgt ihn mit Hass, und nie wird er ganz dazugehören.

Glaubenskrieg
Unüberbrückbar erscheint die Kluft zwischen Altchristen und Morisken, den spanischen Zwangsbekehrten, die ihre Heimat nicht verlassen wollten. Die einstmals blühende islamische Kultur in al-Andalus kann nur noch im Verborgenen weitergetragen werden. Doch dann, im Dezember 1568, mündet die Wut über jahrelange Entrechtung und Demütigung in einen Aufstand, der zum Glaubenskrieg wird, mit Gräueltaten auf beiden Seiten. Hernando wird erwachsen in diesem Krieg, nennt sich nun Ibn Hamid, Sohn des Hamid. Und als er Mutter und Geschwister aus der Hand der Christen befreit, rettet er auch die hübsche junge Witwe Fatima, die seine erste Liebe wird und ihn fortan durch sein Leben begleitet – in guten wie in schlechten Zeiten.

Die Hand der Fatima
„Zum Jahreswechsel wird es eine neue Welt geben“ – die Hoffnung der Morisken erfüllt sich nicht. Nach anfänglichen Erfolgen bricht der Aufstand im zweiten Jahr zusammen, auch durch Uneinigkeit und Intrigen im eigenen Lager. Zerlumpt, hungrig und krank werden die Geschlagenen in den Norden deportiert, viele sterben. Hernando und Fatima gelangen nach Córdoba, einst Zentrum islamischer Kultur. Dort kann Hernando sich bald unter dem Deckmantel eines christlichen Gelehrten in die arabische Schrift und den Koran vertiefen. Und er kann tagtäglich in der Mezquita, der ehemaligen Hauptmoschee des maurischen Spanien, zu Allah beten und so eine der fünf Pflichten jedes gläubigen Moslems erfüllen. Versinnbildlicht werden diese „Säulen des Glaubens“ durch die stilisierte „Hand Fatimas“. Das bei den Morisken beliebte und von den Spaniern verbotene Symbol der jüngsten Tochter Mohammeds taucht in diesem Werk immer wieder auf – der Titel der spanischen Originalausgabe lautet nicht von ungefähr „La mano di Fátima“. Doch kann man wirklich seinen Glauben leben in einer Welt, die diesen Glauben verfolgt? In einer Welt, in der man nach außen einen anderen, aufgezwungenen Glauben bekennen muss? Hernando versucht, seine Kultur zu bewahren, indem er Abschriften des verbotenen Koran anfertigt – und sitzt dennoch zwischen allen Stühlen, weil er die Gunst eines christlichen Adligen genießt, dem er das Leben gerettet hat; und weil in der Stadt bekannt wird, dass er einst eine junge christliche Sklavin freiließ.

Das Barnabas-Evangelium
Doch eines Tages entdeckt Hernando zufällig einige alte arabische Bücher – darunter die Abschrift eines Evangeliums, das angeblich vom Jesus-Jünger Barnabas verfasst wurde! In diesem Buch sieht er die Chance, Christen und Muslime einander endlich näher zu bringen. Schließlich schreibt hier ein Jünger Jesu, ein Augenzeuge, dass Jesus sich nicht als Gottes Sohn bezeichnet hat, sondern als Prophet, der auf einen nach ihm kommenden Propheten verweist. Das müssen Christen doch als unverfälschtes Evangelium akzeptieren – und Muslime als Verweis auf Mohammed erkennen. In den folgenden Jahren widmet Hernando sich ganz seiner Mission. Um dieses Evangelium später einmal in der nach Heiligen geradezu süchtigen christlichen Welt zu verankern, konstruiert er zusammen mit einigen Mitstreitern Legenden, fälscht Reliquien und lässt geheimnisvolle Bleiplatten in altarabischer Schrift anfertigen, die auf das Werk hindeuten…

Enttäuschte Hoffnung
Am Ende findet Hernando zwar die Liebe seines Lebens – Rafaela, eine Christin –, doch seine Hoffnung auf Frieden zwischen den Religionen muss er begraben, als Pläne für einen erneuten Aufstand bekannt werden. Die Folge ist die endgültige Vertreibung aller Morisken aus Spanien: Hunderttausende müssen das Land verlassen. Hernando entkommt diesem Schicksal in letzter Minute – weil seine zu Reichtum und Ansehen gelangte erste Frau Fatima ihre schützende Hand über ihn hält.

Lebendige Geschichte
Falcones Erstling „Die Kathedrale des Meeres“ erreichte auf Anhieb ein Millionen-Publikum. Mit „Die Pfeiler des Glaubens“ liegt nun sein zweiter historischer Roman vor. Er ist ein Werk über eine Epoche, die heute vielen unbekannt und doch erstaunlich aktuell ist. Denn sie brachte Kämpfe zwischen Muslims und Christen ebenso hervor wie Formen gelungenen Zusammenlebens. Durch diese lebendige Geschichte mit ihren fein ausgearbeiteten Details, viele davon historisch verbürgt, kann man als Leser flanieren wie im Säulenwald der Mezquita von Córdoba. Und man kann dabei einen Eindruck von der erhabenen Schönheit gewinnen, die die Kultur der Morisken einst hervorbrachte – und die zumindest in Teilen alle Krisen und Konflikte überdauert hat.

Holger Sweers
Literaturtest
Berlin, Oktober 2010

Die Pfeiler des Glaubens

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