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SPECIAL zu Hanna und Nora Ziegert - "Die Schuldigen"

Hanna und Nora Ziegert über Ihr Buch "Die Schuldigen"

Was hat Sie dazu bewogen, dieses Buch zu schreiben?
Hanna Ziegert: Nach meinem Auftritt bei Beckmann anlässlich des Falles Gustl Mollath wurde ich vielfach auf meine berufliche Tätigkeit angesprochen, auch von fremden Leuten. Die Menschen interessieren sich insbesondere für die Stellung des Gutachters und seine Rolle in Gerichtsverfahren. Meine Kritik an bestimmten Aspekten der Begutachtungspraxis wurde aufmerksam verfolgt.

Die Reaktionen waren sehr positiv und interessiert, ganz anders als ich es bislang gekannt hatte. Als ich dieselben Thesen vor ein paar Jahren vertreten habe, gab es auch in den Medien eine negativ entwertende Reaktion bis hin zu Ermittlungsverfahren gegen mich.

As den aktuellen Reaktionen schloss ich, dass sich der Blick der Gesellschaft auf die Justiz geändert hatte und heute eine Kritik auch solcher Institutionen möglich geworden ist. Diese Entwicklung wollte ich nutzen, um die Rolle der Gutachter im Besonderen wie auch dem Umgang mit Straftätern im Allgemeinen zum Thema zu machen.

Bei welchen Fällen waren Sie sich einig, sie in das Buch aufzunehmen, bei welchen haben Sie lange gerungen?

Hanna Ziegert: Vier der acht Fälle (die Kapitel 1, 3, 4 und 6) standen mehr oder weniger von Anfang an fest. Alle vier Fälle waren Konstellationen, die mich sehr beeindruckt haben.

Teilweise lag das daran, dass ich durch meine psychatrischen Erkenntnisse Einfluss auf das Verfahren nehmen konnte, dass meine Gedanken von der Justiz anerkannt wurden. Teilweise handelt es sich um Menschen, die mich persönlich beeindruckt haben und durch die ich viel über meinen Beruf und den Menschen an sich gelernt habe.

Inwieweit hat Ihre eigene juristische Ausbildung Ihren Blick auf die Arbeit Ihrer Mutter verändert?

Nora Ziegert: Mein Blick hat sich insofern verändert, als ich eine völlig andere Betrachtung desselben Sachverhalts kennengelernt habe - und einen gänzlich anderen Umgang mit den "Tätern". Die Unterschiede haben ihren Grund in der Aufgabe der Juristen, die sich von der des Gutachters natürlich deutlich unterscheidet: Auch der Jurist fragt nach dem Motiv eines Angeklagten, aber er greift bei seiner Suche nach Antworten, logischerweise, viel kürzer und lässt auch Argumente wie "das Geld" zu, die meine Mutter als Beweggrund ausschließen würde. Außerdem halten die Mitarbeiter der Justiz emotional einen deutlich größeren Abstand zu den Angeklagten und "bewerten" ihr Verhalten, anders als ich es bei meiner Mutter erlebt habe.

Was macht das Buch für Sie besonders?

Hanna Ziegert: Das Buch ist insofern für uns etwas Besonderes, als wir es als Mutter und Tochter gemeinsam gestalten konnten. Wir finden es insbesondere spannend, dass wir in dieser Konstellation über die Destruktivität von Frauen berichten. Außerdem erzählt erstmals eine psychatrische Gutachterin aus ihrem beruflichen Alltag.

Welcher Fall hat Sie am meisten bewegt oder beeindruckt?

Nora Ziegert: Für mich war Kapitel 6 am beeindruckendsten. Auf den ersten Blick erscheint es unmöglich, dass eine Pflegemutter nicht bemerkt, wenn das ihr anvertraute Kind vor ihren Augen verhungert. In der Auseinandersetzung mit diesem Fall musste ich immer wieder bei meiner Mutter nachhaken, um wirklich alle Aspekte der Tragödie zu verstehen. Mich hat beeindruckt, dass es möglich ist, die Hintergründe einer solchen Tat loglisch schlüssig und menschlich nachfühlbar zu erklären, sodass sich bei mir zuletzt ein großes Mitgefühl mit der - aus Sicht der Juristen - "Täterin" eingestellt hat.

Was möchten Sie Ihren Lesern noch mitteilen?

Hanna Ziegert: Wir haben uns bei der Auswahl der Fälle die "Destruktivität der Frau" zum Thema gemacht, weil der Beitrag, den Frauen zu Verbrechen leisten, oft nicht ausreichend Beachtung findet. Unsere Gesellschaft mag vordergründig männer-dominiert sein - hintergründig ist sie männerfeindlich. Nicht nur im Umgang mit Straftätern wird deutlich, dass wir allzu oft Mann und Frau in bewährte Täter- und Opfer-Rollen einordnen, ohne ihr Handeln im Einzelnen zu hinterfragen.

Außerdem ist es wichtig zu zeigen, dass Straftäter Menschen sind und aus menschlichen Emotionen heraus agieren. Hierbei geht es uns keinesfalls darum, die Ergebnisse ihres Tuns zu verharmlosen. Das Anliegen wäre, sie mit ihren Schwächen und Fehlern als würdiges Gegenüber zu betrachten und auch so zu behandeln. Wir alle anderen Minderheiten haben sie einen Platz in unserer Gesellschaft verdient.