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Konsum zur Weihnnachtszeit - Interview mit Frank Trentmann

Weihnachtszeit – Geschenkezeit!

Der Konsumforscher Frank Trentmann beleuchtet in seinem Buch „Herrschaft der Dinge“ die Geschichte des Konsums vom 15. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Jetzt im Advent sind alle auf der Jagd nach den perfekten Weihnachtsgeschenken. Wir haben Frank Trentmann einige Fragen zum Thema Konsum in der Weihnachtszeit gestellt.

Weihnachtszeit = Geschenkezeit. War das schon immer so, Herr Trentmann? Wie hat sich der Brauch des Schenkens entwickelt?

Weihnachten war ursprünglich ein Gemeinschaftsfest. Das änderte sich im späten 19. Jahrhundert, als es sich zu einem Familienfest für Eltern und ihre Kinder entwickelte. Zur selben Zeit wurde auch die Kindheit neu entdeckt: Kindern sollten spielen und Spaß haben und wurden nicht mehr nur als angehende kleine Erwachsene gesehen. Das war entscheidend, denn so entstand ein riesiger Markt für Spielsachen und Geschenke. Puppen und Handwerksspielzeug gab es zwar schon in früheren Jahrhunderten, aber jetzt wurde der Schwerpunkt auf Unterhaltung und Spaß – und nicht nur auf praktisches Lernen – gelegt. In den USA verzehnfachten sich die Ausgaben für Geschenke in den ersten dreißig Jahren des 20. Jahrhunderts. Der kommerzielle Weihnachtsboom war geboren. Interessanterweise verlief diese Entwicklung bei Hanukkah fast parallel.

Haben wir alle nicht schon genug Dinge angesammelt – vor allem in unserer westlichen Gesellschaft?

Gewiss, westliche Gesellschaften leben im Überfluss. Wir könnten mit einem Bruchteil unserer Dinge über die Runden kommen, ohne Hunger oder Kälte leiden zu müssen. Aber so funktionieren Konsumgesellschaften nicht. Was wir „brauchen“ und als „normal“ ansehen verschiebt sich in der Moderne ständig. 1950 war der Fernseher noch ein Luxusobjekt – heute sind digitale Bildschirme eine Notwendigkeit, ohne die man vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen ist. Es gibt einen Kult des Neuen. Wir bleiben nicht gerne stehen. Und weil es gesellschaftlich „normal“ geworden ist, öfter Tapeten zu wechseln, die Küche neu einzurichten, neue Kleider und Technik-Gadgets zu kaufen anstatt auf alte Sachen zurückzugreifen, ist es nicht einfach, sich dem entgegenzustellen.

Sind Überflussgesellschaft und eine größer werdende Schere zwischen Arm und Reich zwei Seiten einer Medaille?

Über diese Beziehung wird seit langem gestritten. Jean-Jacques Rousseau hat im 18. Jahrhundert die Lust auf Konsum, Luxus und exotische Güter in den europäischen Metropolen als Grund für die Versklavung und das Elend in den europäischen Kolonien angesehen und verurteilt. Vor deutschen Kaufhäusern gab es in den siebziger Jahren Mahnwachen zur Weihnachtszeit, die die eigene Konsum- und Fresslust für den Hunger in der damals so genannten „Dritten Welt“ verantwortlich machten. Selbstverständlich sind die europäischen Kolonialmächte für viele Probleme verantwortlich. Gleichwohl, wäre es naiv und anmaßend zu behaupten, dass wir schlechter gestellten Ländern dadurch helfen, indem wir weniger konsumieren. Ohne westlichen Konsum wären kaum Hunderte von Millionen Menschen in China und anderswo der Armut entkommen. Ebenso innerhalb westlicher Gesellschaften: Wir müssen uns daran erinnern, dass der große Konsumboom der Nachkriegsjahre eine Zeit war, in der die Kluft zwischen Arm und Reich sich verringerte wie nie zuvor. Anders gesagt: Weniger Ungleichheit ist aus vielen Gründen erstrebenswert, aber es eliminiert nicht automatisch das Problem der Überflussgesellschaft.

Machen Sie Ihren Lieben Weihnachtsgeschenke oder verzichten Sie auf den Konsum?

Basteln ist nicht meine Stärke, aber ich stelle für meine Mutter und meinen Schwiegervater jedes Jahr einen Fotokalender mit Bildern ihrer Enkelkinder zusammen. Entscheidend ist doch, dass man sich selbst Gedanken macht, was Familie und Freunden Freude bereiten könnte – und sich nicht von der Flut an Angeboten oder einem vorherrschenden Gruppenzwang verleiten lässt. Über das Jahr hinweg notiere ich mir Geschenkideen: Bücher, Musik oder andere Dinge, die mir passend erscheinen. Letztlich zählt der Gedanke hinter dem Geschenk, nicht nur das Ding an sich. Selbst der Familienhund weiß dies zu schätzen, da bin ich mir sicher.

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