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Janet Skeslien Charles: Die Wahre Geschichte zu »Eine Bibliothek in Paris«

Interview mit der Autorin

Janet Skeslien Charles
© Richard Beban
1. Sie haben als Programm-Managerin an der American Library in Paris gearbeitet. In der Danksagung erwähnen Sie mehrere Personen, die Ihnen bei der Inspiration und Recherche geholfen haben. Was hat Sie dazu veranlasst, gerade diese Geschichte zu schreiben?
Ich liebe die American Library und wollte die Geschichte der beeindruckenden Bibliothekare erzählen, die während des Kriegs in Paris geblieben sind, um ihren Leser*innen zu helfen. Sie glaubten an Zusammenhalt und Gemeinschaft und auch daran, dass Bücher Brücken zwischen Menschen bauen können.
Es gab aber auch andere Themen, die ich in meinem Roman erforschen wollte, wie Verantwortung, Schuld und Reue. Wir alle machen Fehler. Aber die Art, wie wir die Verantwortung für unsere Worte und Taten übernehmen, zeigt, wer wir sind. Odile übernimmt die Verantwortung für ihre Handlungen und zeigt, dass es ihr leidtut.
Ein weiteres wichtiges Element des Romans ist die Weitergabe von Geschichten und Erinnerungen. In Lilys Abschlussrede erinnert sie sich an ihre Eltern und teilt deren Weisheit mit dem Publikum. Sie zitiert auch Menschen aus Odiles Vergangenheit – von Paul bis Professor Cohen, von Miss Reeder bis Monsieur de Nerciat. Sie alle leben durch Lily weiter. Ich mag den Gedanken, dass wir geliebte Menschen durch die Erinnerung lebendig halten können, indem wir Geschichten von ihnen mit anderen teilen.

2. Die im Buch spürbare Liebe zur Literatur und zum Lesen ist ansteckend. Was hat Sie dazu inspiriert, ausgerechnet einen Roman über Bücher zu schreiben? Was sind einige Ihrer Lieblingsbücher?
Bücher sind meine besten Freunde. Ich liebe es, Romane immer wieder zu lesen und neue Einsichten und Ideen zu bekommen. Die Bücher bleiben gleich, aber wir Leser*innen entwickeln uns weiter. Als ich in jungen Jahren »Vor ihren Augen sahen sie Gott« das erste Mal las, sah ich nur die Liebesgeschichte und wie Janie sich weigerte, sich niederzulassen. Bei einer zweiten Lektüre wurde mir klar, dass die Freundschaft zwischen Janie und Pheoby die wichtigste Beziehung des Buches ist. Bei einer weiteren Lektüre wiederum bewunderte ich Zora Neale Hurstons Schreibstil, sodass ich extra langsam las, um ihr Talent auszukosten. Ich schätze das anthropologische Erbe, das die Autorin für kommende Generationen geschaffen hat, ebenso wie die universelle Wahrheit, dass wir die Menschen, die wir lieben, weder beschützen noch deren Entscheidungen treffen oder deren Leben leben können.
Ich liebe die Kraft von »Good Morning, Midnight«. Die Art und Weise, wie Jean Rhys Einsamkeit, Verzweiflung, das Gefühl, beurteilt zu werden und in Gefahr zu sein, beschreibt. Auch sie ist großartig und war ihrer Zeit voraus. Auch Ann Patcketts »Bel Canto« ist ein Meisterwerk.

3. Welche Szene im Roman war am schwierigsten zu schreiben? Welche war die einfachste?
Die schwierigsten Szenen waren für mich die mit Miss Reeder, Boris und der Gräfin. Ich wollte, dass ihre Worte sie wieder zum Leben erwecken, hatte aber auch Angst, ihnen die falschen Worte in den Mund zu legen. Ich war beruhigt, als ich eine Nachricht von Boris’ Sohn erhielt, der schrieb, dass ich seinen Vater perfekt eingefangen hatte.
Am einfachsten zu schreiben waren die Beschreibungen Montanas. Ich vermisse meine Heimatstadt sehr und hoffe, dass ich die Schönheit und Freundlichkeit der Menschen gut vermitteln konnte.

4. Im Lauf des Romans werden Figuren wie Margaret, Dr. Fuchs oder Paul in schwierige Situationen gebracht. Sie werden gezwungen, Vorgesetzten Widerstand zu leisten oder gegen ihre eigenen Werte zu handeln. Was hat Sie an diesen moralischen Dilemmata gereizt?
Wir glauben oft genau zu wissen, wie wir in bestimmten Situationen reagieren würden. Wir denken: »So was würde ich nie tun!« oder »So würde ich nie sein!«, aber in Wirklichkeit können wir das nicht wissen. Menschen sind immer wieder für Überraschungen gut – im positiven wie im negativen Sinn. Odile und Monsieur de Nerciat sprechen darüber, wie wichtig es ist, sich in die Haut (bzw. die Schuhe) eines anderen zu versetzen und zu versuchen, nicht zu urteilen. Ich habe viel Empathie für meine Figuren und die schwierigen Entscheidungen, die sie treffen müssen. Besonders Paul hat es schwer – er ist hin- und hergerissen zwischen seiner Liebe zu Odile und seinem Respekt für ihren Vater, zwischen dem Befolgen von Befehlen und dem, was er selbst für richtig hält. Im realen Leben sind Menschen und ihre Handlungen oft verwirrend. Die Fiktion bietet die Möglichkeit, einen Blick ins Innere der Charaktere zu werfen, ihre Gedankengänge besser zu verstehen. Paul wird gewalttätig, und wir können Schritt für Schritt nachvollziehen, warum.

5. Der Höhepunkt des Romans ist Odiles Verrat an Margaret, den sie zu einem großen Teil unwissentlich begeht und der Auswirkungen auf Odiles weiteres Leben hat. In vielerlei Hinsicht geht es im Roman eher um die Kraft der Freundschaft und der Gemeinschaft. Warum haben Sie für Odile jedoch ausgerechnet diese verheerende Szene als Höhepunkt gewählt?
Mir ging es darum, die vielen kleinen Momente zu zeigen, die sich anhäufen und Odile schließlich überwältigen. Wenn Odile in der Lage gewesen wäre, Margaret von Anfang an zu sagen, dass diese ihre Gefühle verletzt, wäre es nie zu einer Explosion ihres Unmuts gekommen. Aber Odile war nicht in der Lage zuzugeben, wie sie sich fühlte – und weil Odile nicht offen sein konnte, wusste Margaret nicht von deren Groll und hatte so selbst nie die Möglichkeit, ihr Denken und Handeln zu ändern. Die Situation zwischen Odile und Margaret im Buch ist sehr speziell, sie steht aber exemplarisch für ein allgemeines Verhalten in unserer Gesellschaft. Gespräche, in denen wir Menschen sagen müssen, dass wir uns unwohl oder verärgert fühlen, stellen für uns große Herausforderungen dar. Viele Leute würden heutzutage Freunden und Verwandten lieber aus dem Weg gehen, als zuzugeben, wie sie wirklich empfinden. Wir neigen dazu, unsere Emotionen in uns anzustauen – bis wir an den Punkt des Platzens kommen und so das Band der Gemeinschaft zerreißen lassen. Ich hoffe, »Eine Bibliothek in Paris« wird uns dabei helfen, dieses Band wieder mehr zu ehren oder gar zu flicken.

6. Sie stammen ursprünglich aus Montana, haben aber diverse Jahre in Paris gelebt. Was sind einige der überraschendsten Unterschiede zwischen den USA und Frankreich? Wie hat Ihre Erfahrung als Expatriate Ihre Weltanschauung beeinflusst?
Für mich liegt der größte Unterschied nicht zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten an sich, sondern vielmehr zwischen dem Leben in der Stadt und dem auf dem Land. Wie Lily sehnte ich mich als Jugendliche danach, dem ruhigen Landleben zu entkommen. Ich habe mich früher über den Alltag in der Kleinstadt geärgert, jetzt bin ich dankbar für meine Wurzeln, für meine Eltern, für meine Großmutter, die ihre Liebe zum Lesen mit mir geteilt hat, und auch für die Bibliothekare, die mir damals nicht nur einen sicheren Hafen schufen, sondern mir auch Bücher empfahlen, die meine Gefühle in Worte fassten und mir zeigten, dass ich nicht allein war. Jetzt kehre ich mit einem Gefühl der Dankbarkeit nach Montana zurück. Ich liebe es, Zeit mit meiner Familie, meinen Lehrern und den Bibliothekaren zu verbringen, die zu lieben Freunden geworden sind.
In meinem Roman geht es um den Kulturschock und darum, sich an einem neuen Ort ein neues Leben aufzubauen – beides Situationen, die ich gut kenne. Bevor ich nach Paris kam, war ich Lehrerin. Mein ausländischer Abschluss wurde in Frankreich nicht anerkannt, und ich musste komplett von vorn anfangen. Ich interessiere mich für das Aufeinanderprallen von Kulturen und das Erwachsenwerden sowie für die Elemente, die uns zu dem machen, wer wir sind – Freunde und Familie, erste Lieben und Lieblingsautoren. Ich möchte die Wirkung zeigen, die wir aufeinander haben, wie wir uns gegenseitig behindern und helfen und wie wir unsere Liebsten immer mit uns tragen (ob wir wollen oder nicht). Ich hätte meinen Roman nicht schreiben können, wenn ich an einem Ort geblieben wäre. Ich musste die Distanz, die Sehnsucht, die Traurigkeit und das Heimweh spüren, um meinen Figuren Leben einhauchen zu können.

7. Was sollen Leser*innen aus der Lektüre von »Eine Bibliothek in Paris« mitnehmen?
Dass Kommunikation wichtig ist: Es ist wichtig zu lernen, über unsere Gefühle zu sprechen, bevor sie uns überwältigen. Und dass Bibliotheken wichtig sind: Dieser Roman soll eine Liebeserklärung an Bibliotheken und Bibliothekare darstellen. In diesem digitalen Zeitalter, in dem wir uns befinden, sind Bibliotheken essenzieller denn je. Sie sind unsere Quelle für Fakten in einer Welt der Fake News. Wir brauchen Bibliotheken aber auch, um unsere Fantasie zu beflügeln. »Eine Bibliothek in Paris« soll ein Mahnmal dafür sein, dass wir diese lebenswichtigen Gemeinschaftszentren schätzen und unterstützen müssen.

8. Woran arbeiten Sie als Nächstes?
Die Recherche für »Eine Bibliothek in Paris« war eine große Herausforderung. Ich verbrachte fast zehn Jahre in einer der dunkelsten Perioden der Geschichte, las »Krähenbriefe« in Archiven und sah Filmmaterial von Frauen, denen in der Öffentlichkeit der Kopf geschoren wurde. Wenn ich Pausen vom Roman einlegte, recherchierte ich über andere Bibliothekare und andere Länder. Ich hoffe, dass ich Ihnen bald mehr über diese Projekte erzählen kann

Eine Bibliothek in Paris

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