Charmant und gewitzt hat sich Claire Durant auf der Karriereleiter eines Berliner Gourmet-Magazins ganz nach oben geschummelt. Denn niemand ahnt, dass die Französin weder eine waschechte Pariserin ist noch Kunst studiert hat – bis sie einen Hilferuf aus der Bretagne erhält, wo sie in Wahrheit aufgewachsen ist: Ihre Mutter muss ins Krankenhaus und kann Claires gehörlose Schwester nicht allein lassen.

Claire reist in das kleine Dorf am Meer und ahnt noch nicht, dass ihre Gefühlswelt gehörig in Schieflage geraten wird. Denn ihr Freund Nicolas aus gemeinsamen Kindertagen ist längst nicht mehr der schüchterne Junge, der er einmal war, und dann taucht aus heiterem Himmel auch noch ihr Chef auf.

Claire muss improvisieren, um ihr Lügengespinst aufrechtzuerhalten – und stiftet ein heilloses Durcheinander in dem sonst so beschaulichen Örtchen Moguériec …

Jetzt reinlesen

Jetzt im Handel oder online kaufen:

Taschenbuch
eBook
€ 9,99 [D] inkl. MwSt. | € 10,30 [A] | CHF 14,50* (* empf. VK-Preis)
€ 8,99 [D] inkl. MwSt. | € 8,99 [A] | CHF 13,00* (* empf. VK-Preis)

Wo der Himmel das Meer berührt, ist die Liebe zu Hause ...


Frankreich im Juli 1998
Ihr erstes Leben hatte fünfzehn Jahre und achtundzwanzig Tage gedauert. Natürlich erinnerte sie sich nicht daran, wie und wo es begonnen hatte, aber Maman erzählte den Leuten immer gern, wie froh die Schwester im Krankenhaus gewesen sei, sie endlich loszuwerden, weil sie so hässlich war und pausenlos geschrien hatte. Gestorben war sie wesentlich leiser, auch wenn sie nicht mehr genau sagen konnte, wie. Sie wusste nur, dass es an einem regnerischen Februarnachmittag passiert war, auf einem
Felsen, der sich unter ihren Fingern anfühlte wie die bucklige Schale einer Auster.
Gwenaelle löste den Blick von den vorbeiziehenden Wolkenschäfchen und der Landschaft, die immer mehr Bäume und Häuser hatte, je näher sie Paris kamen. Die Salzwiesen, das Heidekraut, der Ginster – alles, was sich wegducken konnte vor dem ewigen Wind, war dort geblieben, wo es hingehörte: ans Ende der Welt, das die Bretonen Finistère nennen.
Eingeklemmt zwischen Koffern und nach Schweiß riechenden Körpern, musterte Gwenaelle ihre Mitreisenden. Drei Frauen, ein Mann und ein Kind in einem viel zu engen Zugabteil. Auf eine seltsame Art waren ihr alle fremd, obwohl sie zwei von ihnen aus ihrem ersten Leben kannte – als sie noch nicht gewusst hatte, wie es war, wenn man von außen zornig und von innen leer war.
Das Mädchen auf dem Sitz gegenüber war sieben Jahre alt, auch wenn es jünger aussah mit seinem Mausgesicht, das sich neuerdings ständig hinter den drahtigen Locken versteckte. Die vernarbten Knie passten nicht recht zu den feinen Spitzensöckchen und den Lackschuhen, die einmal Gwenaelle gehört hatten, bevor diese beschloss, dass ihr offene Schnürsenkel besser gefielen als Riemchen.
Maelys hingegen war schon immer unkompliziert gewesen, leichter zu handhaben, wie Maman gerne betonte. Ganz im Gegensatz zu Gwenaelle, die sämtliche Protestwörter dazubekommen hatte, die eigentlich Maelys gehört hätten. Trotzig baumelte Gwenaelle mit den Füßen. Die Schuhbänder peitschten den Boden des Abteils, aber ihre Mutter bemerkte es nicht einmal. Kerzengerade klebte sie an dem samtblauen Sitz, die Nägel in ihre Handtasche gekrallt, die Augen geschlossen. Ein Muster aus Tageslicht und Tunnelschatten huschte über ihr Gesicht, das sogar müde aussah, wenn sie wach war.
Gwenaelle begann vor sich hinzusummen und fing sich vom Gangplatz den Blick einer alten Frau ein, die mit einer Leselupe ein Buch las. Sie sah nicht aus, als würde sie Kinder mögen, was sich bestätigte, als Maelys nieste und der Ärmel ihrer Schuluniformjacke für den Rotzfaden am Kinn herhalten musste. Die Leselupenfrau schnalzte missbilligend, und Gwenaelle wackelte pflichtbewusst mit dem erhobenen Zeigefinger, was ihre Schwester zum Lachen brachte. Ein helles, trillerndes Geräusch,
das ein wenig wie der Lockruf eines Sandpfeifers klang.
Maelys war so leicht zum Lachen zu bringen. Eine Grimasse, eine herausgestreckte Zunge. Ein alberner Smiley, mit dem Finger auf die schmutzige Scheibe eines Abteilfensters gemalt. Es war unmöglich, sich nicht von ihrem Gelächter anstecken zu lassen, das so arglos aus ihr herauskam wie das, was jetzt auf
dem viel zu langen Uniformärmel trocknete. Gwenaelle entschlüpfte ein Kichern, und nun traf er sie doch, der tadelnde Blick aus Mamans braunen Augen. Der Busen unter
der schief geknöpften Bluse hob sich für die unvermeidliche Rüge, aber die Blechstimme aus dem Lautsprecher war schneller als der verkniffene Mund.
»Mesdames et messieurs, dans quelques minutes nous arriverons à la Gare Montparnasse, Paris.«

Die vollständige Leseprobe als PDF

Zitronentarte

Rezept: Marguerites tarte au citron

Zutaten für den Teig:
220 g Mehl
50 g Zucker
120 g Butter
1 Eigelb
Salz
1 Biozitrone
Zutaten für die Füllung:
2 Biozitronen
2 Vanilleschoten
4 Eier
200 g Puderzucker
150 g Schlagsahne

Zutaten für den Belag:
1 Biozitrone
2 EL brauner Zucker
4 EL Puderzucker


Zubereitung:
Für den Teig die Zitronenschale fein abreiben und unter das
Mehl und den Zucker mischen. Eine Prise Salz hinzufügen und
mit den Händen die kalte Butter in Stücken zusammen mit dem
Eigelb unterkneten. Den Teig zwischen Klarsichtfolie dünn ausrollen
und die Tarte-Form damit auskleiden, dabei einen Rand
hochziehen. Die Form für 30 Minuten ins Kühlfach stellen.
Den Ofen auf 180 Grad vorheizen und den Teig 10 Minuten
vorbacken (blindbacken).
Für die Füllung die Zitronenschalen abreiben, den Saft auspressen
und das Mark aus den Vanilleschoten kratzen. Eier mit
dem Puderzucker schaumig rühren, die Sahne steif schlagen
und mit dem Zitronensaft, der Schale und dem Vanillemark
unter die Ei-Puderzucker-Masse heben. Die Zitronencreme auf
den Teig gießen. Den Ofen auf 150 Grad zurückschalten und die
Tarte 1 Stunde backen, bis die Creme fest geworden ist.
Für den Belag die Zitrone in feine Scheiben schneiden, den
Zucker in 2 bis 3 Esslöffeln Wasser erhitzen. Die Zitronenscheiben
darin ein paar Minuten kochen und im Sud erkalten lassen.
Die Tarte aus dem Ofen nehmen und abkühlen lassen. Die
Zitronenscheiben darauf verteilen, mit Puderzucker bestäuben
und im Ofen bei starker Hitze grillen, bis der Zucker karamellisiert.
Genau beobachten, da der Zucker rasch verbrennt. Ofenwarm
servieren.

Claudia Winter
© Katharina Müller

Claudia Winter, geboren 1973, ist Sozialpädagogin und schreibt schon seit ihrer Kindheit Gedichte und Kurzgeschichten. Als Tochter gehörloser Eltern lernte sie bereits mit vier Jahren Lesen und Schreiben, gefördert von ihrem Vater. Neben "Aprikosenküsse" und "Glückssterne", beide im Goldmann Verlag erschienen, hat sie weitere Romane sowie diverse Kurzgeschichten in Anthologien veröffentlicht. Die Autorin lebt mit ihrem Ehemann und den Hunden Kim und Luca in einem kleinen Dorf nahe Limburg an der Lahn.

Spannende Aufnahmen von der Recherchereise:

"Ich suche mir für meine Romane gerne Schauplätze aus, die auch für mich weiße Flecken auf der Landkarte sind."

Wenn man Deinen neuen Roman, „Die Wolkenfischerin“, fertig gelesen hat, hat man das Gefühl, noch immer die salzige Brise der Bretagne auf der Haut zu spüren. In allen Deinen Romanen schaffst Du es, die Stimmung der Landschaften so zum Leben zu erwecken, dass man als Leser das Gefühl hat, selbst dort zu sein. Wie stimmst Du Dich auf Deine Schauplätze ein? Wie recherchierst Du?

Tatsächlich suche ich mir für meine Romane gerne Schauplätze aus, die auch für mich weiße Flecken auf der Landkarte sind. Im Vorfeld mache ich mich also per Internetrecherche mit der Gegend vertraut, lese mich ein und bereite mich für die anschließende Recherchereise dorthin vor. Nebenbei lese ich Romane, die dort spielen, Reiseführer, Reiseberichte, einfach alles, was mich selbst in dieses Thema einstimmt. Ich vernetzte mich via Facebook mit Experten des jeweiligen Landes, denen ich Fragen stellen kann und mache mir sogar eine spezielle Musik-Playlist, die mich ebenfalls atmosphärisch inspirieren soll. Und wenn ich dann dort bin, versuche ich mit allen Sinnen zu sehen, zu riechen, zu schmecken. Besonders zu schmecken, denn die kulinarische Seite des Landes ist auch für meine Bücher sehr wichtig.

Was ist eigentlich zuerst da? Die Geschichte, die Du erzählen willst oder der Schauplatz an dem sie spielen soll?

Im Vorfeld berate ich mich mit meiner Lektorin über den Schauplatz und wir überlegen dann gemeinsam, welche Geschichte dorthin passt. Oft ergibt sich das eine auch aus dem anderen, da kann ich manchmal gar nicht mehr genau sagen, was zuerst da war.

Die Hauptfigur in Deinem neuen Roman ist für Deine Fans eine alte Bekannte: Claire Durant kommt als Nebenfigur in „Aprikosenküsse“ vor. Wusstest Du schon beim Schreiben der „Aprikosenküsse“, dass Claire noch eine Geschichte zu erzählen hat?

Nein, das wusste ich nicht. Aber ich habe sehr viele Leserbriefe bekommen, in denen LeserInnen schrieben, dass sie Claire toll fanden und sich wünschten, etwas mehr über sie zu erfahren. Und dann kam die Idee mit Frankreich und der Bretagne – und schon war es klar, wer die Hauptrolle in der Wolkenfischerin bekommen muss.

Genusto, Claires Arbeitsplatz, ist ein Gourmet-Magazin, in Deinen Romanen spielen die Spezialitäten Deiner Schauplätze eine besondere Rolle und jedes Deiner Bücher ist mit einer kleinen Rezeptsammlung angereichert. Welche Rolle spielen kulinarische Genüsse in Deinem Leben?

Ich möchte gerne Bücher schreiben, mit denen sich meine Leserinnen wohl fühlen dürfen, sich wegträumen können, Bücher, die von den schönen, sinnlichen und genußvollen Momenten im Leben erzählen. Wohlfühlen bedeutet für mich das Beisammensein mit Familie und Freunden – und dazu gehört unabdingbar die große, gedeckte Tafel und ein mit Liebe gekochtes Mahl. Das voneinander zu trennen, wäre als würde man versuchen, ein Liebeslied ohne Melodie zu hören.

Und warum sind die Spezialitäten der Region so wichtig für Deine Romane?

Sie verleihen dem Buch die passende Atmosphäre und Authentizität. Und sie runden das Thema des Romans ab.

Du schreibst wunderschöne Romane, in denen die Liebe eine große Rolle spielt. Könntest Du Dir auch vorstellen, Krimis zu schreiben?

Zunächst einmal glaube ich, dass wir hier in Deutschland über sehr viele, sehr viel begabtere Kriminalromanautoren verfügen, als ich es je sein könnte. Vielleicht wäre ich in der Lage einen Krimi zu schreiben, aber es wäre mir nicht die Herzensangelegenheit, wie es meine Liebesgeschichten sind. Ich habe in diesem Genre die Möglichkeit, die Liebe in so vielen Facetten zu zeigen, nicht nur die zwischen Mann und Frau, sondern auch die zwischen Schwestern, Müttern und Töchtern, Vätern und Söhnen. Es sind Menschen und ihre Beziehungen zueinander, die mich interessieren und inspirieren, aber das auf einer hoffnungsschenkenden, liebevollen und sehr realitätsnahen Ebene. Das passt nicht unbedingt zu einem Thriller.

Du bist die Tochter gehörloser Eltern, Claires Schwester Maelys ist auch gehörlos. Die Szenen im Roman, in denen Claire und Maelys kommunizieren, sind besonders stark. Magst Du uns kurz erzählen, was das Besondere an der Beziehung zwischen gehörlosen und hörenden, engen Verwandten ist?

Es ist die Art der Kommunikation. Gehörlose kommunizieren direkt und ungefiltert. Alles, was sie sagen kommt direkt aus dem Bauch, aus dem Herzen. Das macht gefühlsmäßige Dialoge sehr stark, aber auch schwierig, denn im allgemeinen ist Taktgefühl nicht wirklich angesagt. Da ich mit dieser Art von Kommunikation aufgewachsen bin, ist sie für mich besonders leicht zu transportieren, vermute ich. Und das tue ich gern, vor allem, weil ich weiß, dass sehr viele Menschen sich für Gehörlose und ihre Gebärdensprache, ihre Wahrnehmungswelt interessieren. Wenn mein Roman zum besseren Verstehen der beiden Welten beiträgt, bin ich froh darüber.

Wir sind schon ganz gespannt: Darfst Du schon verraten, an was Du gerade arbeitest? Auf welche Reise nimmst Du uns in Deinem nächsten Roman mit?

Derzeit schreibe ich an einem Provence-Roman. Er handelt von einer alleinerziehenden Mutter und ihrer fünfzehnjährigen Tochter, die große Schwierigkeiten miteinander haben. In ihrer Verzweiflung packt die Frau ihr Kind ein und reist mit ihm in ein Bergdorf in Südfrankreich – eine Reise, die nicht nur für das Mutter-Tochter-Verhältnis zur Herausforderung wird. Denn in dem malerischen, provenzalischen Bergdorf und bei seinen ungewöhnlichen Bewohnern ist längst nicht alles so idyllisch, wie es den Anschein macht. Unversehens wird Camilla nicht nur mit einem vergessenen Teil ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert – sie verliert auch ihr Herz … an einen Menschen, mit dem sie zuallerletzt gerechnet hätte.

© Goldmann Verlag

Noch mehr Lesevergnügen:

Mit den Büchern von Claudia Winter.