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Der Auftakt der neuen Millennium-Trilogie von Bestsellerautorin Karin Smirnoff

Die Millennium-Romane um Mikael Blomkvist und Lisbeth Salander

Buchempfehlung zu »Verblendung«

Düstere Vergangenheit

De mortuis nil nisi bene - "Über die Toten soll man nur Gutes sagen". Das steht über den Seziersälen der anatomischen Institute und ermahnt nicht nur angehende Mediziner zu respektvollem Umgang mit denen, die sich nicht mehr wehren können. Doch diese Aufforderung ist unnötig, geht es um den literarischen Nachlass des viel zu früh verstorbenen schwedischen Autors, Journalisten und Experten für Rechtsextremismus, Stieg Larsson, der 2004 im Alter von nur 50 Jahren an den Folgen eines Herzinfarktes verstarb. Sein Roman "Die Verblendung", der posthum in Deutschland erschienen ist, lässt das literarische Genie Larssons erkennen und die Trauer um seinen Tod nur größer werden.

Im Dickicht der zahlreichen Krimis aus Skandinavien leuchtet dieses Buch wie ein Licht in dunkler Nacht. So außergewöhnlich spannend, dicht und wunderbar erzählt ist der Plot, so interessant die Schar der dargestellten Charaktere mit ihren verflochtenen Beziehungen und dunklen Geheimnissen, dass man von diesem Roman bereits nach der ersten Seite rettungslos in Bann gezogen wird.

Larsson, weltweit anerkannter Experte für Rechtsextremismus und Neonazismus, gelingt es, diese Thematik ebenso geschickt und stimmig in "Die Verblendung" einzubinden, wie eine Familientragödie von geradezu shakespeareschen Ausmaßen. Dabei nimmt er gleichzeitig auf die jüngste schwedische Vergangenheit Bezug und stellt das brutale Machtgebaren der großen Wirtschaftsbosse an den Pranger.

Das Ende einer Karriere

Im Mittelpunkt des Romans steht der Journalist Mikael Blomkvist, der beruflich wie privat am Rande der Existenz balanciert. Seine kurze Ehe ist gescheitert, zur Teenagertochter hat er wenig Kontakt, und seine langjährige Affäre mit der verheirateten Erika Berger bietet keinerlei Zukunftsperspektiven. Erika hat die Regeln für diese Beziehung festgelegt, sie wird ihren Mann nie verlassen und trifft sich mit Mikael dann, wenn es ihr in den Kram passt. Mikael staunt immer wieder, dass Erikas Ehemann, der von der Affäre seiner Frau weiß, den Nebenbuhler stillschweigend zu akzeptieren bereit ist. Doch eigentlich findet auch Mikael an der unverbindlichen Beziehung Gefallen, gewährt sie ihm doch eine gehörige Portion Unabhängigkeit und Freiheit.

Der Vollblutjournalist Blomkvist gerät allerdings ganz plötzlich in Gefahr, beides für immer zu verlieren, als er einen Enthüllungsartikel über den einflussreichen Wirtschaftsmagnaten Wennerström schreibt, der diesen als Betrüger bloßstellt. Blomkvists erhielt seine Informationen von einem langjährigen Freund, der ihm so vertrauenswürdig erschien, dass er seinen Artikel selbstbewusst im Magazin "Millennium" veröffentlichte, eine Publikation, die er gemeinsam mit Erika Berger herausgibt. Als sich die Hausjuristen des Unternehmers Wennerström einschalten, Blomkvist wegen Verleumdung vor Gericht zerren und den Prozess wider Erwarten gewinnen, verliert dieser seine journalistische Integrität und "Millennium" beinahe sämtliche Anzeigenkunden.

In dieser schwierigen Zeit beschließt Mikael Blomkvist gemeinsam mit seiner Mitherausgeberin Erika Berger, seine journalistische Arbeit für das Magazin einzustellen. Sein Name wird aus dem Impressum gestrichen. Blomkvist, der in naher Zukunft eine mehrmonatige Haftstrafe abzusitzen hat, will für die nächste Zeit in der Versenkung verschwinden und nach neuen Beweisen gegen Wennerström suchen, da er ihn weiterhin für schuldig hält. Während Blomkvist noch überlegt, wo er mit seinen Recherchen beginnen soll, erhält er ein mysteriöses Angebot eines anderen schwedischen Wirtschaftsriesen.

Spurlos verschwunden

Henrik Vanger, einflussreicher Patriarch und ehemaliger Manager eines großen Wirtschaftsimperiums, lädt Mikael Blomkvist zu sich ein und unterbreitet ihm einen Vorschlag, der diesem ernsthaft zu denken gibt.

1966, während eines Familienfests, war Vangers geliebte Nichte Harriet spurlos verschwunden. Es gab seitdem keine Nachricht, kein Lebenszeichen, aber auch die Leiche des Mädchens wurde nie gefunden. Dennoch ist sich Henrik Vanger sicher, dass seine Nichte an diesem Tag ermordet wurde. Die Polizei hatte fieberhaft nach Spuren gesucht, sämtliche verdächtige Personen intensiv befragt und jahrelang ermittelt, allerdings ohne Ergebnis. Henrik Vanger ist felsenfest davon überzeugt, dass Harriets Mörder unter den Mitgliedern der weit verzweigten Familie Vanger zu finden ist, die sich damals alle auf dem Familiensitz auf der Insel Hedeby eingefunden hatten. Da die Insel aufgrund eines schweren Unfalls für mehrere Stunden von der Außenwelt abgeschlossen war, kann tatsächlich nur ein Familienangehöriger Harriets Tod verschuldet haben.

Vanger hat sein gesamten Leben mit der fieberhaften Suche nach Harriets Mörder verbracht, Detekteien beauftragt, Material kistenweise sammeln lassen und wieder und wieder die Fotos und Aussagen aller Beteiligten durchgesehen. Jetzt, wo der alte Mann sein Ende nahen fühlt, will er endlich Gewissheit. Mikael Blomkvist erscheint ihm dazu befähigt, die Hintergründe für das Verschwinden des Mädchens genauer zu erforschen, hat doch der hartnäckige Journalist keine Scheu vor "großen Tieren" gezeigt und sogar seine eigene Existenz für eine brisante Story aufs Spiel gesetzt.

Vanger hat zwei Trümpfe in der Hand, mit denen er Blomkivst zu überzeugen sucht, dass er es bei dem 82-Jährigen nicht mit einem senilen Trottel zu tun hat. Seit Harriets Verschwinden erhält er jedes Jahr anonym zu seinem Geburtstag eine gerahmte, gepresste Blume - ein Geschenk, dass er früher immer von Harriet erhielt. Will ihn der Mörder damit verhöhnen und in den Wahnsinn treiben oder steckt etwas ganz anderes dahinter? Außerdem macht er Blomkvist neben einer Unsumme Geld ein weiteres, viel verlockenderes Angebot: Sollte Blomkvist den Auftrag annehmen, werde er, Vanger, ihm Informationen zukommen lassen, die beweisen, dass Wennerström tatsächlich kriminell ist.

Gefährliche Spurensuche

Blomkvist reagiert zögerlich, zu sehr liebt er seine Unabhängigkeit, und der Gedanke, für lange Zeit auf Vangers Insel fest zu sitzen und den verworrenen Mordtheorien eines alten Mannes nachzugehen, schreckt ihn trotz des Honorars eher ab. Doch Vangers Lockmittel zeigt schließlich Wirkung. Der brennende Wunsch, es Wennerström heimzuzahlen, den Wirtschaftsboss bloß zu stellen und sich vor der schwedischen Öffentlichkeit zu rehabilitieren, gepaart mit dem schließlich doch entfachten Interesse an Harriets Schicksal, führen dazu, dass Blomkvist ein Haus auf Vangers Grundstück bezieht und getarnt als Biograph des Patriarchen seine Nachforschungen beginnt.

Was Blomkvist nicht weiß, ist, dass Vanger im Vorfeld eine Detektei auf ihn angesetzt hat, um seine Integrität und Professionalität zu prüfen. Und während der Journalist sich in die ungeheure Menge an Material einarbeitet, macht sich die Ermittlerin Lisbeth Salander aus eben dieser Detektei auf den Weg, um auf eigene Faust an dem Fall mitzuarbeiten. Sie ist gespannt darauf endlich zu erfahren, was die Männer Vanger und Blomkvist verbindet.

Blomkvist taucht derweil immer tiefer in die Familiengeschichte der Vangers ein und stößt dabei auf jede Menge schmutziger Geheimnisse. In den verschlungenen Zweigen der riesigen Sippe wimmelt es nur so von hartherzigen Vätern und lieblosen Müttern, deren einziges Interesse dem Geld und der Firma galt. Deren Kinder wiederum wuchsen zu egoistischen und eiskalten Menschen heran. Nur wenige Familienmitglieder scheinen ein Herz zu besitzen und Werte wie Gerechtigkeit, Zuverlässigkeit und Treue vererbt zu haben. Harriet, Henrik Vangers Lieblingsnichte, war ein strahlender Diamant im trüben Dunkel der Vangers. Der Alte wollte sie zu seiner Nachfolgerin machen und ihr damit zu Macht und Geld verhelfen.

Während Blomkvist in Harriets persönlichem Nachlass auf merkwürdige Namenslisten und Nummern stößt, auf den Fotos vom Familientreffen und in den Aussageprotokollen allerlei Ungereimtheiten entdeckt, reist Lisbeth Salander an und wirbelt die Insel durcheinander. Die junge Frau, in deren Vergangenheit Gewalt und Lieblosigkeit den Alltag bestimmten, hat Schwierigkeiten mit dem selbständigen Leben und fürchtet sich vor Nähe und Zuneigung. Am Computer aber ist sie in ihrem Element. Sie weiß, wie man via Internet an Informationen herankommt, von denen Blomkvist nur träumen kann, und so finden sich die beiden schließlich zu einer Zweckgemeinschaft zusammen. Je tiefer Blomkvist und Salander in die Vergangenheit der Vangers eindringen, desto größeren Gefahren setzen sie sich aus. Henrik Vanger hatte Blomkvist ausdrücklich vor seiner Sippe gewarnt. Der Alte kannte seine Verwandtschaft.

In der Familie der Vangers gibt es einen eiskalten Mörder, der keine Skrupel kennt. Jahrelang wog er sich in Sicherheit, seine Taten waren unentdeckt geblieben, waren vergangen und vergessen. Nun sind es die beiden Schnüffler Blomkvist und Salander, die der Wahrheit gefährlich nahe kommen, und der Mörder sieht keinen anderen Weg, als sich der beiden für immer zu entledigen.

Grausame Wahrheit

Als der alte Vanger einen Herzanfall erleidet, Lisbeth Salander und Mikael Blomkvist im Laufe der engen Zusammenarbeit eine Affäre beginnen und plötzlich Erika Berger in der Einöde der Insel auftaucht, überschlagen sich die Ereignisse. Die Wahrheit, die Salander und Blomkvist nur langsam der Vergangenheit entreißen, ist so erschütternd, dass es dem Leser den Atem verschlägt. Gleich mehrere grausame Verbrechen, an hilflosen Opfern aus niedrigsten Beweggründen begangen, kommen ans Licht. Und es gab mehrere Mörder. Sie alle waren miteinander verwandt. Sie alle waren Mitglieder der Vanger-Sippe. Blomkvist muss schon bald seine Hilflosigkeit eingestehen und stellt entsetzt fest, dass auch der so freundlich erscheinende Henrik nicht ohne Hintergedanken gehandelt hat. Denn als der Journalist seine versprochene Belohnung einfordert, erlebt er eine böse Überraschung…

Familienepos und spannender Kriminalroman

Stieg Larsson hat mit "Die Verblendung" eine Meisterleistung vollbracht. Sein Roman verbindet eine facettenreiche Familienchronik mit einer brillant gesponnenen Krimihandlung, die packender nicht sein kann. Der Handlungsbogen des Romans spannt sich von der Nazi-Vergangenheit Schwedens bis in unsere Gegenwart. Larsson stattet jeden seiner Protagonisten mit einer ureigenen persönlichen Geschichte aus, die es dem Leser ermöglicht, sich ein nahezu vollständiges Bild von der Persönlichkeit der Einzelfiguren zu machen. Gerade in den unterschiedlichen, sorgfältig ausgearbeiteten und deshalb authentisch wirkenden Charakteren erweist sich das große Können des Autors. In geradezu genialer Weise ergänzt er die handelnden Figuren noch um Personen aus der Vergangenheit, über deren Leben, Freuden und Sorgen der Leser nur aus alten Dokumenten erfährt, die Henrik Vanger gesammelt hat.

"Schuld" ist einer der zentralen Begriffe, um die es in diesem brillant erzählten Roman geht. Und schuldig machten sich nicht nur die eigentlichen Täter. Wie schwer wiegt die Schuld derjenigen, die von den Verbrechen wussten, aber dennoch beharrlich schwiegen? Gibt es ein Verfallsdatum für das schlechte Gewissen? Kann man sich entspannt zurücklehnen, wenn man weiß, dass der Mörder schließlich verstorben ist, oder muss man spätestens nach seinem Tod doch noch Stellung beziehen? Die Grenze zwischen bequemer Ignoranz und mutiger Aufrichtigkeit ist sehr dünn. Und wer sie nicht überschreitet, wird selbst zum Täter, oder nicht?

Ein Buch prall gefüllt mit Lebensschicksalen, mit Beziehungsgeflechten und moralischen Verirrungen. Eine Story über die sinnlos erscheinende Suche nach der einen und einzigen Wahrheit, die alle und alles befreien kann oder aber für immer an das ureigene Schicksal kettet. Einer der besten Kriminalromane der letzten Zeit. Spätestens nach der Lektüre dieses großartigen Buches weiß man, dass ein hochtalentierter Autor viel zu früh von uns ging. Ein schmerzlicher Verlust.

Buchempfehlung von Bianca Reineke
Cuxhaven, März 2006


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Skandinavischer Krimipreis für Stieg Larsson

Stockholm, 26.05.2006

Die Vereinigung der Kriminalschriftsteller Skandinaviens hat Stieg Larssons großen Krimi "Verblendung" mit dem skandinavischen Krimipreis, dem "Gläsernen Schlüssel", ausgezeichnet.

Der Krimipreis "Gläserne Schlüssel" ist nach Dashiell Hammetts gleichnamigem Roman benannt. Verliehen wird er von der Vereinigung "Writers of Scandinavia", die sich im Mai 1991 in Dänemark gegründet hatte. Der Verband ist eine unabhängige, regionale Unterorganisation der "International Association of Crime Writers" (IACW). Zu den Mitgliedern zählen unter anderem Autoren, Literaturkritiker und Verlagsmitarbeiter. Den Preisträger ermitteln die "Writers of Scandinavia" aus den einzelnen Ländernominierungen.

Text (gekürzt): © Bertelsmann Network, Gütersloh, Mai 2006


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Buchempfehlung zu »Verdammnis«

Wettlauf mit der Zeit

Der junge Journalist Dag Svensson bietet Mikael Blomkvist, dem verantwortlichen Redakteur des Magazins Millennium, eine unglaubliche Geschichte an. Es geht dabei um den Handel mit osteuropäischen Frauen, die zur Prostitution gezwungen werden. Pikanterweise sind die Drahtzieher der erschütternden Machenschaften scheinbar auch bei der Polizei und in hohen Regierungskreisen zu finden. Die Geschichte ist also brisant und gut recherchiert, und Blomkvist plant die baldige Veröffentlichung.

Eine eigenwillige Persönlichkeit

Währenddessen reist Lisbeth Salander um die Welt. Die grazile Computerhackerin, die bereits in "Verblendung", dem ersten Teil von Larssons Krimi-Trilogie, gemeinsam mit dem engagierten Journalisten Blomkvist einen Fall löste, ist mittlerweile sechsundzwanzig Jahre alt und eine recht eigenwillige Persönlichkeit. Anderen Menschen gegenüber ist sie zutiefst misstrauisch, aber ihr Gerechtigkeitsempfinden hat geradezu alttestamentarisches Format. Wenn sie ihr notwendig erscheint, scheut sie auch nicht vor brutaler Gewalt zurück - eine Tatsache, die sie schon als Jugendliche Bekanntschaft mit der Psychiatrie machen ließ. So steht sie auch noch unter vormundschaftlicher Betreuung des Anwaltes Nils Bjurman. Mikael Blomkvist hat zu Beginn des Buches keinen Kontakt mehr zu Lisbeth. Sie hatte sich nach Abschluss ihres ersten gemeinsamen Falles vollkommen zurückgezogen, obwohl die beiden mehr verband als nur eine berufliche Partnerschaft.

Grausame Morde und ein schrecklicher Verdacht

Als Blomkvist eines Abends noch spät einige Unterlagen der Enthüllungsstory von Dag Svensson abholen will, bietet sich ihm ein grauenhaftes Bild. Svensson und seine Frau Mia sind brutal hingerichtet worden. Als wenig später auch der Anwalt Nils Bjurman ermordet aufgefunden wird, verdichten sich Spuren, die ausgerechnet zu Lisbeth führen. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren, und die Polizei jagt die begnadete Computerspezialistin. Doch Lisbeth ist allen anderen immer einen Schritt voraus. Kaum jemand glaubt mehr an ihre Unschuld - bis auf Mikael Blomkvist, der fieberhaft versucht, die immer verworreneren Ereignisse aufzuklären. Es beginnt ein Wettlauf mit der Zeit ...

Ein neuer Stern am Krimihimmel

Stieg Larsson bekam im Jahr 2006 den Preis als bester Krimiautor Skandinaviens - und dies absolut zu Recht! Gelingt es ihm doch, diese intelligente, differenzierte Story so spannend und lebensprall zu erzählen, dass man als Leser regelrecht darin versinkt. Larssons Krimis stehen in einer großen Tradition: Auch bei Liza Marklund tummelt sich der Krimifan im adrenalingeschwängerten Journalistenmilieu, und von Henning Mankell, dem großen Meister des Metiers, stammt der Ausspruch, dass seine Krimis in punkto Grausamkeit gar nichts seien im Vergleich zur Realität. Larssons Bücher sind vom gleichen Kaliber und schlagen dabei doch einen ganz neuen und ganz eigenen Ton an: Sie bestechen durch die minutiöse und liebevolle Schilderung der Figuren, allen voran der ruppig-skurrilen Lisbeth Salander, die dem Leser sofort ans Herz wächst. Diese außergewöhnliche Mischung aus Pippi Langstrumpf, einer zarten autistischen Fee und Lara Croft wirkt erstaunlicherweise völlig glaubwürdig - vielleicht übertreibt Larsson es lediglich im rasanten Finale ein wenig, das fast wie eine Splatter-Einlage daherkommt.

Es ist sehr zu bedauern, dass nur noch ein weiterer Roman des begabten Erzählers in Deutschland erscheinen wird. Larsson starb 2004 mit kaum fünfzig Jahren. Mit seiner Trilogie allerdings hat er sich, zumindest in der Krimi-Fangemeinde, unsterblich gemacht.

Buchempfehlung von Ulrike Künnecke (Literaturtest)
Berlin, Mai 2007


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Buchempfehlung zu »Vergebung«

Wer suchet, der tötet

Mit einer Kugel im Kopf wird Lisbeth Salander in die Notaufnahme eingeliefert. Sie hat den Kampf gegen Alexander Zalatschenko, Drahtzieher mafiöser Machenschaften, ein weiteres Mal überlebt. Aber wird sie gegen den schwedischen Geheimdienst bestehen können, der alle Kräfte mobilisiert, um sie ein für alle Mal mundtot zu machen? Zu groß ist die Gefahr, dass sie die Verbindung zwischen Zalatschenko und der schwedischen Regierung aufdeckt.

Unterdessen recherchiert Mikael Blomkvist unter Hochdruck, um Salanders Unschuld zu beweisen. Stück für Stück bringt er die Wahrheit ans Licht. Nur noch wenige Details fehlen, und er wird das Komplott gegen Salander aufdecken. Auch als seine Ermittlungen von höchster Stelle massiv behindert werden, führt Blomkvist seine Arbeit unbeirrt fort. Er weiß genau, dass er nur noch diese eine Chance hat, um Lisbeth Salander zu retten …

Mikael Blomkvist lebt gefährlich

Als Stieg Larsson 2004 im Alter von knapp fünfzig Jahren an den Folgen eines Herzinfarktes verstarb, verlor die Welt nicht nur einen der führenden Experten für Rechtsextremismus und Schweden den Herausgeber des Magazins „Expo“. Mit ihm starb auch ein hervorragender Kriminalautor, der mit der „Millennium-Trilogie“ ein großartiges Vermächtnis hinterließ. Die Romane „Verblendung“, „Verdammnis“ und Vergebung“ stehen mittlerweile weltweit auf den Bestsellerlisten und begeistern millionenfach die Leser, die die drei dicken Wälzer förmlich verschlingen. Kritiker und Leser überschlagen sich in ihren Lobeshymnen und bedauern gleichermaßen den viel zu frühen Tod Larssons, der die Millennium-Krimis eigentlich auf zehn Bände angelegt hatte.

Eine Trilogie der Extraklasse

Und so klappt man den letzten Band „Vergebung“ mit einem tiefen Seufzer zu und beklagt das unabänderbare Schicksal, denn nun sind sie für immer fort, die lieb gewonnenen Helden, über deren weiteres Leben man nur noch spekulieren und fabulieren kann. Und das ist bitter, denn selten schuf ein Autor solch außergewöhnliche Figuren wie die Protagonisten der drei Bücher, als da wären: der hartnäckige und unnachgiebige Journalist Mikael Blomkvist, der sich in zwischenmenschlichen Beziehungen eher auf Fast-Food-Niveau bewegt, und die einzige emotionale Konstante in seinem Leben namens Erika Berger. Die Herausgeberin seines Magazins „Millennium“ ist seine beste und älteste Freundin, Gelegenheitsgeliebte und intellektuell ebenbürtige Partnerin. Ansonsten vergräbt er sich lieber in seiner Arbeit, beißt sich wie ein Terrier an seinen Fällen fest und lässt nicht locker bis die Verantwortlichen endlich bluten.

Zwei ungleiche Partner

Blomkvist, der dank der Namensgleichheit mit Astrid Lindgrens berühmter Kinderbuchfigur nur „Kalle“ genannt wird, hat es wirklich nicht leicht. Seit er in „Verblendung“ die junge Lisbeth Salander kennen gelernt hat, muss er das Wort Freundschaft neu definieren lernen, so komplex ist sein Verhältnis zu dieser unglaublich störrischen Frau, die ihn fasziniert, abstößt und einfach tief bewegt. Kämpften sie anfangs auf verschiedenen Seiten, brachte sie eine kurze Affäre, die allerdings nur den Hauch einer Sekunde dauerte, einander näher. Aber erst als es tatsächlich auf Leben und Tod geht, zeigt sich die Tiefe und ernsthafte Dimension dieser von gegenseitigem Respekt und Hochachtung geprägter Beziehung, in die sich hin und wieder ein Anflug von Misstrauen drängt. Diese Gefühlskombination erweist sich auch als unerschütterliche Basis der Zusammenarbeit, in der beide um Gerechtigkeit und Freiheit kämpfen. Doch wo Mikael unaufhörlich auf der Suche nach betrügerischen Industriellen, korrupten Politikern oder anderen verbrecherischen Zeitgenossen ist, dreht sich Lisbeths ewige Suche um ihr eigenes Seelenheil, das in ihrer Vergangenheit Schaden litt.

Eine Frau voller Widersprüche

Lisbeth Salander ist eine zarte und winzig kleine Mittzwanzigerin, die im realen Leben niemanden an sich heran lässt, aber in den Weiten des Internets, in Chatrooms und Foren, einen engen Freundeskreis pflegt.

Die junge Frau hat schier Unglaubliches erlebt und allen Grund, zutiefst misstrauisch zu sein. Als Kind eines brutalen ehemaligen KGB-Spions, der auf schwedischem Boden Asyl fand und in die Untiefen des Geheimdienstes seiner neuen Heimat abtauchte, musste Lisbeth hilflos mit ansehen, wie ihr Vater die Mutter solange schlug, bis sie mit irreparablen Hirnschäden für immer in einer Klinik verschwand. Als sich Lisbeth, brennend vor Zorn und Hass endlich zur Wehr setzt, bekommt sie die gnadenlose Macht des schwedischen Staates im Staate zu spüren: innere Kreise der Regierung sorgen dafür, dass das Mädchen in eine psychiatrische Anstalt kommt und ihr Wille dort langsam und systematisch gebrochen wird. Die Männer, die an dieser grausamen Arbeit beteiligt sind, werden auch später hinter Lisbeth her sein und ihr das Leben zur Hölle machen.

In „Verdammnis“ gelingt es der unglaublich zähen und stahlharten Lisbeth Salander tatsächlich, die verbrecherischen Taten ihres Vaters und seine Verstrickungen in die geheimdienstliche Arbeit Schwedens aufzudecken und ihn in die Enge zu treiben. Doch am Schluss des Buches versinkt alles in Gewalt und Tod und Lisbeth Salanders Lebens scheint für immer zerstört.

Alte Bekannte, neue Verwicklungen

In „Vergebung“ tauchen sie alle wieder auf: Mikael „Kalle“ Blomkvist, Lisbeth Salander und Erika Berger. Sie kämpfen unbeirrbar weiter auf der Suche nach Gerechtigkeit, sortieren ihr Leben und ihre Beziehungen neu und versuchen mühsam, die verworrenen Fäden der gemeinsamen Geschichte zu entknoten, um endlich ein simples Gefüge aus Freundschaft und Liebe zu flechten.

Aber die Umstände scheinen ein Happy End zu verhindern. Lisbeth liegt schwer verletzt im Krankenhaus, während auf dem Flur die Polizei nur darauf wartet, sie als dreifache Mörderin zu verhaften. Ihr grausamer Vater schmiedet nur ein Zimmer weiter Mordpläne für seine Tochter, und der Geheimdienst entwickelt bereits einen perfiden und scheinbar perfekten Plan für ihren endgültigen Untergang.

Ohne Mikael Blomkvists unerschrockene Hartnäckigkeit, Lisbeth Salanders immensen, nicht gerade redlich erworbenen Reichtum und die erstaunlichen Sicherheitslücken im System der Regierung [??? im schwedischen Geheimdienst???] wäre Lisbeths Leben keinen Pfifferling mehr wert.

Jäger und Gejagte

Lisbeth Salander ist mit ihrem exzentrischen Äußeren und ruppigen Verhalten geradezu ein Paradebeispiel dafür, wie leicht unangepasste Zeitgenossen stigmatisiert werden können: Wer so aussieht und sich so verhält, dem ist schließlich alles zuzutrauen. Und so präparieren die unsichtbaren Jäger schon ihre Beute, lange bevor sie sie zur Strecke bringen, indem sie sie öffentlich schwerer Straftaten bezichtigen. Wer hat schließlich schon Mitleid mit einer satanistischen Lesbe, die wegen schwerer Körperverletzung angeklagt ist?

Doch Lisbeths Mitstreiter, arbeiten on- und offline mit Hochdruck an ihrer Entlastung, und nach und nach gesellen sich immer mehr Menschen dazu, die an ihre Unschuld glauben und geschockt erkennen müssen, welche Rolle der Staat bei ihrer systematischen Vernichtung spielt …

In einem Nerven zerfetzenden Showdown mit rasanten Verfolgungsjagden und einer wahrhaft filmreifen Gerichtsverhandlung fächert Stieg Larsson die erschütternden Hintergründe um Lisbeth Salanders Geschichte auf. Er verschont dabei weder Regierung, Staatsanwaltschaft, Gesetzeshüter oder Ärzte. Sie alle waren an dem perfiden Plan beteiligt, ein Menschenleben auf brutale Weise zu vernichten, um dunkle Machenschaften zu bemänteln.

Ein unsterbliches Vermächtnis

Mittels eines stimmigen Plots voller Hochspannung und überraschender Wendungen zeichnet Stieg Larsson das Bild einer Gesellschaft, das einen schaudern lässt, umso mehr als man einige der beschriebenen Entgleisungen als realitätsnah erkennt. Alle Charaktere, von den Protagonisten hin zum kleinsten Handlanger der großen Fische, sind absolut überzeugend gezeichnet. Ein Kriminalroman, dessen unwiderstehliche Sogwirkung den Leser in Lebenswelten wirft, die er im wahren Leben niemals kennen lernen möchte. Und dennoch bleibt am Ende die Überzeugung, dass es sie wirklich gibt, die Guten, denen das Wohl anderer, die Integrität des Staates ehrlich am Herzen liegt, und so klappt der Leser „Vergebung“ nach 850 unglaublichen Seiten zu, lehnt sich zurück und darf ein wenig hoffen …

Leider nur nicht auf eine Fortsetzung, denn der großartige Autor Stieg Larsson ist tot. Doch sein literarisches Vermächtnis hat ihn unsterblich gemacht.

Buchempfehlung von Bianca Reineke
Cuxhaven, Juni 2008


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Die Millennium-Saga von Stieg Larsson wird fortgesetzt

27. August 2015: VERSCHWÖRUNG von David Lagercrantz erscheint

Die geniale Hackerin Lisbeth Salander und der kämpferische Journalist Mikael Blomkvist haben in drei Romanen Millionen von Lesern auf dem ganzen Erdball begeistert. Weltweit erstürmte die Millennium-Trilogie von Stieg Larsson die Bestsellerlisten und verkaufte sich mehr als 80 Millionen Mal. 10 Jahre nach der Veröffentlichung des ersten Bandes und 11 Jahre nach dem tragischen Tod des Autors erscheint am 27. August 2015 weltweit die Fortsetzung unter dem Titel »Det som inte dödar oss« (»Was uns nicht umbringt«).

Die Familie Larsson und der Originalverlag Norstedts haben mit dieser großen Aufgabe den schwedischen Autor David Lagercrantz beauftragt, der über das Projekt sagt: »Stieg Larsson war ein Meister des vielschichtigen Erzählens mit kunstvoll verwobenen Geschichten. An diesem Ideal orientiere ich mich. Das Buch ist eine Hommage an die Welt, die Stieg Larsson geschaffen hat, an seine gewaltige Mythologie.«

Zeitgleich erscheint die deutsche Übersetzung unter dem Titel »Verschwörung« im Heyne Verlag. Verleger Ulrich Genzler ergänzt: »Seit langem warten die Leser darauf, dass die Geschichte von Lisbeth Salander und Mikael Blomkvist weitergeht. Als deutscher Stieg Larsson-Verlag sehen wir der Fortsetzung der Millenium-Trilogie durch die Interpretation von David Lagercrantz mit großer Spannung entgegen.«

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David Lagercrantz über das Geheimnis von Lisbeth Salanders Drachen-Tattoo

Im Herbst 2015 hatte ich eine entscheidende Einsicht. Gerade war das vierte Buch der Millennium-Serie erschienen; ich reiste um die Welt, gab eine Menge Interviews und wälzte mich nachts schlaflos in diversen Hotelbetten. Und hin und wieder grübelte ich über etwas nach, das mir schon seit Längerem keine Ruhe ließ.

Warum hat sich Lisbeth Salander einen Drachen auf den Rücken tätowieren lassen?

Wie Sie wissen, ist dieser Drache sozusagen ihr Markenzeichen. Sie hat ihn bereits am Anfang von Stieg Larssons erstem Roman. Die Tätowierung ist einfach da, ein Teil ihrer Persönlichkeit. Wir erfahren nie, warum sie sie hat. Aber wir spüren, dass sie nicht zuletzt deshalb so faszinierend ist.

Ich stellte Nachforschungen an und fand heraus, dass ein so großes Tattoo – ein Kunstwerk, das vom Nacken bis zu den Schulterblättern reicht – nicht gerade billig ist. Doch zu Beginn der Millennium-Serie ist Salander noch eine mittellose, völlig von ihrem Betreuer abhängige junge Frau.

Sie muss hart gearbeitet haben, um sich das Tattoo leisten zu können. Sie muss fest entschlossen dazu gewesen sein, und sie tut – wie wir wissen – nichts ohne Grund. Deshalb wuchs die Gewissheit in mir, dass nur ein einschneidendes Erlebnis sie dazu bewegen konnte, ein Tätowierstudio aufzusuchen. Diese Frage nach ihrer Geschichte und Mythologie raubte mir nachts den Schlaf.

Ich recherchierte über Drachen. Fragte andere Menschen, was sie von ihnen hielten. Mein englischer Verleger Christopher MacLehose riet mir, die Storkyrkan-Kathedrale in Gamla Stan, der Altstadt meiner Heimatstadt Stockholm, aufzusuchen. Dort steht eine herrliche Statue des heiligen Georg, wie er den Drachen mit seinem Schwert erschlägt. Christopher meinte, dass diese Statue dabei helfen könnte, neues Licht auf eine alte Geschichte zu werfen – insbesondere, wenn man sie mit Salanders Augen betrachtet.

Die Storkyrkan kannte ich selbstverständlich – sie ist eine der wichtigsten Touristenattraktionen Stockholms. Als meine lange Lesereise endlich zu Ende war, betrat ich an einem kalten Wintertag die Kirche und stand staunend vor der Statue. Anfangs sah ich nur, was ich bisher immer gesehen hatte: der heilige Georg auf dem Pferd, der das Ungeheuer angreift. Doch dann kam mir eine Idee: Man kann die Statue genauso gut als einen heimtückischen Angriff auf einen Drachen sehen. Immerhin liegt der Drache von einem Speer durchbohrt am Boden und schreit vor Angst. Doch das war noch nicht die wichtigste Erkenntnis dieses Tages.

Neben dem Drachen steht die Bronzefigur einer Frau, die das Ganze teilnahmslos beobachtet. Es dauerte eine Weile, bis ich darauf kam, dass sie die Jungfrau darstellt, die vom heiligen Georg gerettet werden soll. Mir kam sie eher wie eine neutrale Beobachterin vor. In diesem Augenblick lief es mir kalt den Rücken herunter. Plötzlich begriff ich, was Lisbeth Salander zugestoßen war, weshalb sie sich den Drachen hatte tätowieren lassen.

Sofort erkannte ich etwas Neues, Unmittelbares in der Finsternis, aus der sie getreten war, um die bekannteste Krimiheldin der Gegenwart zu werden. Und darüber schreibe ich in »Verfolgung«.

David Lagercrantz, Stockholm, 18. Juni 2017

(aus dem Englischen von Kristof Kurz)
Copyright: Heyne Verlag 2017


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