Das perfekte Lektüre-Erlebnis: fesselnd, hypnotisierend, verstörend – und wunderschön

Mexiko, 1950: Ein verstörender Brief führt die junge Noemí in ein entlegenes Herrenhaus in den mexikanischen Bergen: Dort lebt ihre frisch vermählte Cousine Catalina, die behauptet, ihr Mann würde sie vergiften. Sofort tauscht Noemí die Cocktailpartys der Hauptstadt ein gegen den Nebel des gespenstischen Hochlands. High Place ist der Sitz der englischen Familie Doyle, in die Catalina überstürzt eingeheiratet hat. Doch das Ansehen der Doyles ist längst verblasst und ihr Herrenhaus zu einem dunklen Ort geworden. Gut, dass Noemí keine Angst hat – weder vor Howard Doyle, dem widerwärtigen Patriarchen der Familie, noch vor Catalinas eitlem Ehemann Virgil. Aber als Noemí herausfindet, was auf High Place vor sich geht, ist es zu spät: Sie ist längst in einem Netz aus Gewalt und Wahnsinn gefangen …

Der mexikanische Fluch

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Leseprobe

Die Partys im Haus der Tuñóns endeten grundsätzlich spät, und da die Gastgeber besondere Freude an Kostümfesten hatten, war es nichts Ungewöhnliches, die traditionell gekleideten Mexikanerinnen mit Bändern im Haar und ihren folkloristischen Röcken in Begleitung eines Harlekins oder eines Cowboys eintreffen zu sehen. Statt vor dem Haus der Tuñóns zu warten, hatten die Chauffeure ihre eigene Strategie entwickelt. Sie zogen los, um an einem Straßenstand Tacos zu essen oder eines der Dienstmädchen in der Nachbarschaft zu besuchen, ein Werben, so umständlich wie ein viktorianisches Melodram. Einige der Chauffeure scharten sich zusammen, um gemeinsam zu rauchen und einander Geschichten zu erzählen. Ein paar hielten ein Nickerchen. Immerhin wussten sie nur zu gut, dass niemand die Party vor ein Uhr morgens verlassen würde. Folglich verstieß das Paar, das sich bereits um zehn Uhr abends von der Party entfernte, gegen die Konventionen. Schlimmer jedoch war, dass sich der Fahrer des Mannes entfernt hatte, um sich etwas zum Abendessen zu holen, und unauffindbar war. Der junge Mann sah beinahe verzweifelt aus, während er überlegte, wie es weitergehen sollte. Er hatte einen Pferdekopf aus Pappmaché getragen, eine Entscheidung, die ihm jetzt zu schaffen machte, da er sich mit dieser sperrigen Requisite einen Weg durch die Stadt würden bahnen müssen. Noemí hatte ihn gewarnt, dass sie beabsichtige, den Kostümwettbewerb zu gewinnen, dass sie besser abschneiden wolle als Laura Quezada und ihr Beau; also hatte er einen Riesenaufwand betrieben, der jedoch völlig fehl am Platze gewesen war, da seine Begleiterin das zuvor angekündigte Kostüm gar nicht getragen hatte. Noemí Taboada hatte verkündet, sie werde eine Jockeymontur samt Reitgerte ausleihen. Das hätte als geschickte und leicht skandalöse Wahl gelten können, zumal sie gehört hatten, Laura wolle sich eine Schlange um den Hals wickeln und als Eva erscheinen. Am Ende hatte Noemí es sich jedoch anders überlegt. Das Jockey-Kostüm war hässlich und kratzte auf der Haut. Also trug sie stattdessen ein grünes Kleid mit applizierten weißen Blumen, hatte sich aber nicht die Mühe gemacht, ihren Begleiter über die Planänderung in Kenntnis zu setzen. »Was jetzt?« »Drei Blocks von hier ist eine Hauptstraße. Dort können wir ein Taxi anhalten«, sagte sie zu Hugo. »Sag mal, hast du eine Zigarette?« »Zigarette? Ich weiß nicht mal, wo ich meine Brieftasche gelassen habe«, antwortete er und strich mit der Hand über seine Jacke. »Außerdem, hast du nicht immer Zigaretten in der Handtasche? Ich würde ja annehmen, dass du zu knauserig bist, dir eigene zu kaufen, wenn ich es nicht besser wüsste.« »Es macht eben viel mehr Spaß, wenn ein Kavalier einer Dame eine Zigarette anbietet.« »Ich kann dir heute Abend nicht mal ein Minzbonbon anbieten. Was meinst du, ob ich meine Brieftasche wohl im Haus liegen gelassen habe?« Sie antwortete nicht. Hugo hatte es nicht leicht mit dem Pferdekopf unterm Arm. Als sie die Allee erreichten, hätte er ihn beinahe fallen lassen. Noemí reckte einen schlanken Arm und winkte ein Taxi heran. Im Wagen war es Hugo dann endlich möglich, den Kopf auf dem Sitz abzulegen. »Du hättest mir sagen können, dass ich das Ding gar nicht mehr brauche«, murrte er, als ihm das Lächeln auf den Lippen des Fahrers auffiel, von dem er annahm, dass er sich auf seine Kosten amüsierte. »Du wirkst hinreißend, wenn du verärgert bist«, erwiderte sie, öffnete ihre Handtasche und nahm die Zigaretten heraus. Hugo sah aus wie der junge Pedro Infante, was einen großen Teil seines Reizes ausmachte. Was den Rest betraf - Persönlichkeit, sozialer Status und Intelligenz -, hatte Noemí sich nicht die Zeit genommen, allzu viel darüber nachzudenken. Wenn sie etwas wollte, dann wollte sie es, und neuerdings wollte sie Hugo, auch wenn sie ihn nun, da sie seine Aufmerksamkeit gewonnen hatte, vermutlich bald fallen lassen würde. Als sie ihr Haus erreicht hatten, griff Hugo nach ihrer Hand. »Gib mir einen Gutenachtkuss.« »Ich muss mich beeilen, aber du kannst trotzdem ein bisschen von meinem Lippenstift haben«, erwiderte sie, nahm die Zigarette und steckte sie ihm in den Mund. Stirnrunzelnd beugte sich Hugo zum Fenster hinaus, während Noemí nach Hause eilte, den Innenhof durchquerte und sich direkt zum Büro ihres Vaters begab. Wie der Rest des Hauses war auch das Büro in einem modernen Stil gehalten, der wie ein Widerhall des Umstands wirkte, dass der Reichtum des Eigentümers noch recht neu war. Noemís Vater war nie wirklich arm gewesen, doch er hatte aus einer kleinen Färberei eine Goldgrube gemacht. Er wusste, was ihm gefiel, und scheute sich nicht, es zu zeigen: kühne Farben und klare Linien. Die Polster seiner Sessel waren leuchtend rot, und üppig wuchernde Pflanzen bereicherten jeden Raum um einen kräftigen Spritzer Grün. Die Bürotür stand offen, und Noemí machte sich nicht die Mühe anzuklopfen, sondern trat forsch-fröhlich ein. Ihre hohen Absätze klapperten vernehmlich über den Hartholzboden. Mit den Fingerspitzen strich sie über eine der Orchideen in ihrem Haar, ehe sie sich mit einem lauten Seufzer in den Sessel vor dem Schreibtisch ihres Vaters setzte und die kleine Handtasche auf den Boden warf. Sie wusste auch, was ihr gefiel, und dazu gehörte nicht, frühzeitig nach Hause gerufen zu werden. Ihr Vater hatte sie hereingewinkt - das Klappern der Absätze hatte ihre Ankunft mindestens so deutlich kundgetan, wie es ein Gruß vermocht hätte -, sie aber nicht angesehen, als wäre er zu sehr damit beschäftigt, ein Dokument zu begutachten. »Ich fasse es nicht, dass du mich bei den Tuñóns angerufen hast«, sagte sie und zupfte an ihren weißen Handschuhen. »Ich weiß, du warst nicht glücklich darüber, dass Hugo ...« »Hier geht es nicht um Hugo«, fiel ihr Vater ihr ins Wort. Einen der Handschuhe in der rechten Hand, runzelte Noemí die Stirn. »Nicht?« Sie hatte um Erlaubnis gebeten, zu der Party zu gehen, aber sie hatte verschwiegen, dass Hugo Duarte sie begleiten würde, und sie wusste, was ihr Vater von ihm hielt. Vater sorgte sich, dass Hugo ihr einen Heiratsantrag machen und sie zustimmen würde. Noemí hatte nicht die Absicht, Hugo zu ehelichen, und das hatte sie ihren Eltern auch gesagt, aber Vater glaubte ihr nicht. Wie es sich für eine Dame der Gesellschaft gehörte, kaufte Noemí im Palacio de Hierro ein, schminkte ihre Lippen mit Lippenstiften von Elizabeth Arden, besaß einige sehr kostbare Pelze, sprach Englisch mit bemerkenswerter Leichtigkeit, ein Verdienst der Nonnen an der Montserrat - einer Privatschule, selbstverständlich -, und man erwartete von ihr, dass sie ihre Zeit der Muße und der Jagd nach einem Gatten widmete. Folglich musste in den Augen ihres Vaters jede vergnügliche Aktivität auch der Beschaffung eines Gemahls dienen. Was letztlich bedeutete, dass sie sich nicht um des Amüsements willen zu amüsieren hatte, sondern ausschließlich, um einen Ehemann zu erbeuten. Und das wäre auch gut und schön gewesen, würde Vater Hugo mögen, aber der war nur ein Nachwuchsarchitekt, und von Noemí wurde erwartet, nach Höherem zu streben. »Nein, auch wenn wir darüber später noch werden sprechen müssen«, sagte er zu Noemís Verwirrung. Sie hatten sich in einem langsamen Tanz gewiegt, als ein Diener ihr auf die Schulter geklopft und sie gefragt hatte, ob sie einen Anruf von Mr. Taboada im Atelier entgegennehmen würde, was ihr den ganzen Abend verdorben hatte. Sie hatte angenommen, Vater hätte herausgefunden, dass sie mit Hugo zur Party gegangen war, und hätte sie aus seinen Armen reißen wollen, um ihr einen Verweis zu erteilen. Wenn es nicht darum ging, was hatte der ganze Wirbel dann zu bedeuten? »Aber nichts Schlimmes, oder?«, fragte sie in verändertem Ton. Wenn sie wütend war, klang ihre Stimme höher, mädchenhafter, nicht so wohl moduliert wie das Timbre, das sie in jüngsten Jahren perfektioniert hatte. »Ich weiß es nicht. Du darfst niemandem erzählen, was ich dir gleich sagen werde. Nicht deiner Mutter, nicht deinem Bruder und auch keinem deiner Freunde, hast du verstanden? «, sagte ihr Vater und starrte Noemí an, bis sie nickte. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, presste die Hände vor dem Gesicht zusammen und nickte seinerseits. »Vor einigen Wochen erhielt ich einen Brief von deiner Cousine Catalina. Darin stellte sie wilde Behauptungen über ihren Ehemann auf. In dem Bemühen, zum Grund der Dinge vorzudringen, habe ich Virgil geschrieben. Virgil antwortete mir, Catalinas Verhalten habe sonderbar und verzweifelt gewirkt, er glaube aber, es ginge ihr schon wieder besser. Wir schrieben hin und her, wobei ich darauf bestanden habe, dass es das Beste sei, Catalina, wenn sie wirklich so verzweifelt wäre, wie es den Anschein hatte, nach Mexico City zu bringen, damit sie mit einem Fachmann reden könne. Er widersprach und schrieb, das sei nicht nötig.« Noemí zog den anderen Handschuh aus und legte ihn in den Schoß. »Wir sind in einer Sackgasse gelandet. Ich habe nicht damit gerechnet, dass er nachgibt, aber heute Abend habe ich ein Telegramm erhalten. Hier, du kannst es lesen.«

Silvia Moreno-Garcia
© Martin Dee Photography

Über die Autorin

Silvia Moreno-Garcia

Die in Mexiko geborene Kanadierin Silvia Moreno-Garcia ist als höchst vielseitige Autorin bekannt. Mit jedem ihrer Romane, darunter der Überraschungsbestseller »Mexican Gothic« (zu Deutsch »Der mexikanische Fluch«), erfindet sich Moreno-Garcia neu und haucht Leben in angestaubte Genres – unter anderem den Schauerroman, den Noir-Krimi und die Science Fiction sowie die Fantasy. Ihr Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter den World Fantasy Award, den Sunburst Award, den Locus Award, den British Fantasy Award. Sie lebt in Vancouver, British Columbia, und schreibt als Kolumnistin für die Washington Post.

Ein Brief der Autorin

Liebe Leser*innen,

Mexiko ist gespickt mit Bergbau-Geisterstädten. Diese Benennung hat eine doppelte Bedeutung. Einerseits bezieht sie sich auf einen verlassenen Ort. Andererseits tragen diese Städte die Spuren der Kolonialherrschaft mit all ihren Auswüchsen in sich. Sie sind voller Geister.

Als die Spanier*innen damals Mexiko erreichten, fanden sie eine Fundgrube voller mineralischer Reichtümer: Gold und vor allem Silber, das in großen Mengen abgeschürft werden konnte. Bereits im 18. Jahrhundert war Mexiko der größte Silberproduzent der Welt.
Geschäftige Minen brauchten Arbeiter*innen, vor allem billige. Die vorherrschenden Arbeiter*innen in diesen Städten waren indigene Menschen, die durch verschiedene Systeme – Sklaverei, Encomienda und Repartimiento wurden zu verschiedenen Zeitpunkten eingesetzt – zur Arbeit gezwungen, oft missbraucht wurden und unter schlechten Bedingungen schuften mussten. Die, die nicht in den Minen gearbeitet haben, spürten trotzdem die Wucht der spanischen Herrschaft, indem sie von ihren traditionellen Ländereien vertrieben wurden.
Der Unabhängigkeitskrieg von 1810 hat den Zugriff ausländischer Mächte auf Mexiko und seine Reichtümer nicht wirklich gelockert und auch nicht zu einer gleichmäßigeren Verteilung geführt. Nach den Spaniern erschienen andere Mächte in Mexiko, die die Erde nach Silber durchsuchten.

Britische Bergbauunternehmen kamen in den früher 1880ern an und hatten sich im ganzen Land etabliert, auch in der Stadt Real del Monte, hoch gelegen in den Bergen von Hidalgo. Real de Monte, auch “Little Cornwall” genannt, verfügt über eine einzigartige britisch inspirierte Architektur und einen englischen Grusel-Friedhof. Diese Stadt, welche ich vor vielen Jahren besucht habe, diente mir als Inspiration für den Schauplatz von Der mexikanische Fluch.

Es hört sich vielleicht ein bisschen komisch an, dass ein Buch mit dem Titel Der mexikanische Fluch (im Original: Mexican Gothic) in einer Stadt spielt, die von britischen Streitkräften gestaltet und ausgebeutet wurde. Doch das ist Teil des ironischen Erbes von Lateinamerika. Ich denke, ich hätte das Buch auch anders nennen können, aber alle Alternativen schienen so viel länger und weniger pikant. Der gewählte Titel drückt das quälende Gefühl aus, welches ich hatte, als ich durch Mexiko fuhr und die Überreste von Städten aus einer anderen Zeit besuchte.

Um sich einen neuen Ort zu erschließen, musst du dir das Land anschauen, in dem er liegt. Was das Land mir in Hidalgo sagte, ist, dass es dort unterschiedliche Arten von Geistern gibt: die einen, die Bettlaken über ihrem Kopf tragen und deutlich weniger gruselig sind, und die, welche durch die Sünden unserer Vorfahren entstanden sind.

Der mexikanische Fluch ist ein Streifzug durch eine Fundgrube von Schauermotiven – mit einem dunklen und unheimlichen Haus, einem verführerischen und gefährlichen Mann, einer Familie mit Geheimnissen und nächtlichen Gefahren. Aber es ist auch eine Geschichte über jene anderen Geister: die wie Narben auf dem Land hinterlassen wurden.

Silvia Moreno-Garcia

DIY: Noemí Paperdoll

Wer von "Der mexikanische Fluch" nicht genug kriegen kann, ist mit diesem DIY bestens versorgt. Einfach die Anleitung und die Vorlagen herunterladen, ausdrucken, und schon kann der Bastel-Spaß losgehen!



Beispielbild Paperdoll
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