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Meditation: Gedanken sind nicht unbedingt wahr
Ich lade Sie ein, Ihren Meditationsplatz aufzusuchen und sich bequem hinzusetzen. Verwenden Sie einen Schal oder eine Decke, falls es heute kühl ist, oder aber als Hilfsmittel, das Sie erneut daran erinnert, warum Sie jetzt hier sind.
Fokussieren Sie sich auf die Punkte Ihres Körpers, die mit dem Sessel oder Boden in Verbindung sind: Ihr Rücken, Ihr Gesäß, aber auch die Hände, die Sie entweder ineinander verschränkt in Ihrem Schoß halten oder einzeln auf Ihre Oberschenkel gelegt haben.
Versuchen Sie, Ihre Gesichtsmuskeln und Schultern ganz locker zu lassen. Schließen Sie Ihre Augen, wenn das angenehm für Sie ist, oder lassen Sie sie halb geöffnet, ohne sich auf etwas zu fokussieren.
Nehmen Sie ganz bewusst Ihren Atem wahr. Sie werden erkennen, dass jeder Atemzug eine Einheit für sich ist, länger oder auch kürzer, tiefer oder flacher. Nach jedem Ein- und Ausatemzug, so werden Sie mit der Zeit feststellen, entsteht eine kurze Pause, bevor »die nächste Runde« beginnt. Bleiben Sie bei Ihrem Atem, bis sich eine gewisse Ruhe in Ihnen eingestellt hat.
Nun wird es Zeit, auch den Körper aufmerksam zu beobachten. Haben Sie irgendwo starke Empfindungen? Wenn Ihnen unangenehme Verspannungen oder Schmerzen auffallen, können Sie versuchen, in diese Bereiche hineinzuatmen und beim Ausatmen jegliche Spannung loszulassen, so gut es eben geht.
Schauen Sie sich jetzt ganz bewusst Ihre Gedanken an, vor allem jene, die unangenehme Gefühle und Körperwahrnehmungen auslösen. Vergessen Sie nie, dass es Ihre Intention ist, die Gedankenmuster zu erkennen, die Sie bedrängen und unter Umständen in ein schwarzes Loch ziehen. Erkennen Sie so ein Muster, können Sie es nach der Meditation in Ihr Tagebuch notieren. Was Sie jetzt nicht anstreben, ist, die Gedanken auf irgendeine magische Weise zu verändern. Ihr Zugang ist der eines wachen Interesses, aber mit genügend Abstand, um nicht in den möglicherweise reißenden Strom hineingezogen zu werden.
Dafür nutzen Meditierende ein Hilfsmittel, um die Gedanken zwar zu sehen, ihnen aber nicht das Ruder zu überlassen: Sie geben ihnen einen Namen, um die nötige Distanz behalten zu können. Natürlich können Gedanken negativ, neutral oder positiv sein. Aber egal, welcher Sparte sie angehören, Sie sehen sie sich in dieser Meditation nur kurz an und benennen sie.
Folgende Bilder haben sich dabei als hilfreich erwiesen:
- Sie sehen die Gedanken wie Wolken am Himmel. Sie können auf diesen Wolken luftig geschrieben die Begriffe für Ihre Gedankenmuster lesen: »Grübelgedanken«, »selbstkritische Gedanken«, »Weltuntergangsgedanken«, »Tagträume«, »Einkaufslisten« und so weiter.
- Sie stehen auf einer Brücke und schauen auf einen kleinen Fluss hinunter, auf dem bunte Blätter schwimmen. Auf einigen dieser Blätter sehen Sie Ihre Gedanken geschrieben. Sie können sie lesen und registrieren, aber schon bald ist das Blatt unter der Brücke verschwunden.
- Sie stehen auf einem Bahnsteig. Ein Zug rast vorbei. Sie sehen die Wagons und auf jedem steht einer Ihrer Gedanken geschrieben. Sie erkennen, um was es geht, aber lassen Ihre Gedanken einfach vorüberziehen.
Durch das wiederholte Praktizieren dieser Meditation werden Sie lernen, dass Gedanken nicht unbedingt immer wahr oder wichtig sind und dass Sie selbst wählen können, welchen Gedanken Sie später, nach der Meditation, Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenken wollen.
Aus: »Das kleine Buch vom Meditieren«