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Daniel Depp - Stadt der Verlierer

SPECIAL zu Daniel Depp »Nächte in Babylon«

Gefallene Engel

Der Roman „Stadt der Verlierer“ von Daniel Depp

Hollywood – für viele Menschen ein Synonym für Freiheit, ewigen Sommer, Starrummel und Glamour. Noch immer suchen Menschen aus aller Welt hier ihr Lebensglück und träumen von einem Platz auf dem roten Teppich neben Brad Pitt und Angelina Jolie, doch nur wenige kommen wirklich an ihr Ziel. Und selbst diese scheinbar Glücklichen sind in Wirklichkeit oft ohne es zu merken verstrickt in ein Netz aus Abhängigkeit, Korruption und Gewalt.

Schonungsloser Blick auf die Realität der Traumfabrik
Schonungslosen Einblick in die Traumfabrik Hollywood gibt einer, der es wissen muss. Daniel Depp hat sich bisher als Drehbuchautor und Produzent einen Namen gemacht, und wer jetzt auch an Johnny Depp denkt, liegt ganz richtig, denn Daniel ist der ältere Halbbruder des Hollywood-Stars und betreibt mit ihm eine gemeinsame Produktionsfirma - ein echter Insider also.

Doch was Depp hinter den Kulissen zu Tage fördert, ist alles andere als ansehnlich und offenbart dem Leser die wahren Strippenzieher und Helden des Showbusiness, die selber nie im Rampenlicht stehen, aber im Hintergrund die Drecksarbeit erledigen, im guten wie im schlechten Sinne.

Ein neuer Held voller Melancholie
Hauptfigur des Buches ist David Spandau, ein ehemaliger Stuntman, der seinen Job an den Nagel gehängt hat, da er mit zunehmendem Alter immer anfälliger für Verletzungen wurde und seitdem als Privatermittler arbeitet. Leider hat er mit seinem Berufswechsel auch seine Ehe geopfert, denn seine Exfrau Dee ist als Tochter seines ehemaligen Chefs mit Davids Unzufriedenheit nicht mehr klargekommen, so dass die beiden sich schließlich scheiden ließen. So ganz sind die zwei allerdings noch nicht voneinander losgekommen.

Seit der Trennung von Dee frönt Spandau seiner Vorliebe für Whisky und den Wilden Westen, reitet Rodeo und dekoriert sein Haus mit Indianer-Devotionalien. Sein neuer Arbeitgeber Walter Coren jr., der das Ermittlungsbüro seines erfolglosen Vaters übernommen und zu einem florierenden Unternehmen gemacht hat, versorgt Spandau regelmäßig mit Aufträgen, die ihn zurück in die illustre Welt der Stars und Sternchen führen.

Ein verzwickter Auftrag
Spandau soll einem der Shooting-Stars des Filmgewerbes, Bobby Dye, Personenschutz geben, da dieser in letzter Zeit Morddrohungen erhalten hat. Doch der vermeintliche Routine-Auftrag verwandelt sich schnell in einen Albtraum, als dem Ermittler klar wird, dass Dye in Wirklichkeit in weitaus größeren Schwierigkeiten steckt. Als eine von Dyes Gespielinnen sich eine Überdosis setzt, musste Bobby dafür sorgen, dass die Sache aus den Schlagzeilen bleibt. Und so ist er gezwungen, sich mit dem zwielichtigen Kriminellen Richie Stella einzulassen, der die Leiche der jungen Frau mit Hilfe seiner Handlanger spurlos verschwinden lässt. Aber Stella tut nichts ohne entsprechende Gegenleistung: So sichert er sich ein wirkungsvolles Faustpfand gegen den jungen Schauspieler und will ihn dadurch zwingen, in einem von ihm produzierten dubiosen Film mitzuspielen. Und bald schon wird Spandau klar, dass Bobby Dye weniger die vermeintlichen Todesdrohungen als vielmehr die Angst vor dem Gesichtsverlust quält.
Zwischen dem Bodyguard und dem Hollywood-Star entwickelt sich eine echte Zuneigung, da Bobby Dye in Wirklichkeit ein äußert begehrter, aber auch sehr einsamer Mann ist, der die Schattenseiten des Ruhmes ebenso spürt wie die Vorteile seines Prominentenstatus.

Die Gewalt eskaliert
Doch je tiefer Spandau in die Ermittlungen einsteigt, umso schneller und unaufhörlicher dreht sich die Spirale der Gewalt. Richie Stella gefällt der neue Beschützer an Bobby Dyes Seite natürlich gar nicht, und so kommt es wie es kommen muss: Als Spandau seinen Freund Terry McQuinn, einen in mehreren Kampfsportarten erfahrenen Ex-Soldaten mit irischen Wurzeln und einer Vorliebe für die Fantasiewelten von J.R.R. Tolkien, hinzuzieht und dieser sich mit der falschen Person aus Stellas Umfeld einlässt, überschlagen sich die Ereignisse. Ein geplanter gewaltsamer Racheakt weitet sich unerwartet im Drogenrausch zu einem brutalen Blutbad aus, das mehrere Personen das Leben kostet und den Leser ebenso erschrocken und ernüchtert zurücklässt wie David Spandau.

Spandau bleibt nur ein einziger Weg, um Gerechtigkeit zu schaffen – auch wenn der vermeintliche Triumph in Wahrheit ein Pyrrhussieg ist, der Spandau am Ende noch gebrochener zurück lässt als er vorher schon war. Denn der Preis ist hoch: Spandau muss erkennen, wie verdorben und dunkel die Welt hinter den leuchtenden Filmkulissen und gleißenden Scheinwerfern wirklich ist, und dass manchmal nur der Pakt mit dem Teufel eine Garantie für den Weg nach ganz oben ist.

Eine bitterböse Gesellschaftssatire auf die Scheinwelt Hollywoods
Daniel Depp hat mit David Spandau einen neuen Ermittler voller Melancholie und Draufgängertum geschaffen, der das Zeug und zugleich den seelischen Tiefgang dazu hat, Held einer neuen und erfolgreichen Krimireihe zu werden. Doch auch die anderen Figuren des Buches – von der vorlauten und überkandidelten Film-Agentin bis zur vollbusigen russischen Geliebten – sind trotz ihrer Exzentrizität gekonnt und wunderbar plastisch gezeichnet. Überhaupt kann man sich eine Verfilmung des Buches bestens vorstellen und merkt, dass Daniel Depp sein Metier als Drehbuchschreiber versteht.

„Stadt der Verlierer“ ist ein bitterböses Buch, das gleichzeitig spannender Thriller und schonungsloser Gesellschaftsroman ist. Beim Lesen fragt man sich des Öfteren, wie viel Insider-Wissen tatsächlich in die Handlung eingeflossen ist, und ob die schöne Welt der Millionengagen und roten Teppiche wirklich so traumhaft ist, wie sie uns oft dargestellt wird.

Es ist zu hoffen, dass Daniel Depp uns nicht im Regen stehen lässt und seinen Ermittler David Spandau weiterhin die Moral und Gerechtigkeit verteidigen lässt, auch wenn es seine Seele kostet.
Dr. Hendrik Müller-Reineke
Cuxhaven, im November 2009