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Christine Brand im Interview zu Ihrem neuen Buch »Wahre Verbrechen«

Das Böse ist oft ganz nah ...

Verbrechen, begangen von Menschen, die unser aller Nachbarn sein könnten.

Christine Brand
© Sarah Koska
Frau Brand, bitte fassen Sie in wenigen Sätzen Ihr aktuelles Buch »Wahre Verbrechen« zusammen.
»Wahre Verbrechen« ist kein Roman – sondern ein Buch, das sechs erzählende Reportagen über wahre Kriminalfälle beinhaltet. Es sind alles Fälle, die ich als Gerichtsreporterin begleitet und über die ich berichtet habe. Nun, einige Zeit später, habe ich mich erneut hingesetzt, all meine Notizen und die vorhandenen Akten studiert und die Fälle neu in ausführlichen Geschichten nacherzählt. Es sind alles Fälle, die zeigen, wie nahe uns das Böse sein kann. Es sind Verbrechen, die vom unauffälligen Nachbarn, von dem netten Pärchen mit den zwei Kindern von nebenan begangen wurden, oder aber vom Pfleger, der Menschen retten und nicht töten sollte. Die Fälle gewähren Einblicke auf die Schattenseiten unserer Gesellschaft.

Was darin war am schwierigsten zu schreiben?
Am schwierigsten war für mich der erste Fall um den Mord an einer ganzen Familie an Rupperswil – schwierig, weil mir dieses Verbrechen mit seiner Abscheulichkeit am nächsten ging. Solche Geschichten lassen niemanden unberührt – auch uns Journalisten nicht, die darüber berichtet haben.

Haben Sie eine Lieblingsgeschichte?
Meine liebste Geschichte ist diejenige, in der die Zürcher Kantonspolizei verdeckte Ermittler eingesetzt haben – weil sich die Polizei in diesem Fall äußerst kreativ zeigte und keinen Aufwand scheute: Eine Polizistin gab sich als Wahrsagerin aus und behauptete, mit dem Mordopfer aus dem Jenseits kommunizieren zu können…

Haben Sie eine Lieblingsfigur?
Wenn, dann eben diese Wahrsagerin!

Gibt es bestimmte geografische Orte, zu denen Sie und Ihr Buch einen besonderen Bezug haben?
Etliche Fälle spielen in der Schweiz. Viele Tatorte in diesem Buch habe ich im Rahmen der Recherche aufgesucht.

Lassen Sie persönliche Erfahrungen in die Geschichte einfließen?
Das gesamte Buch beruht auf wahren Begebenheiten und die Verbrechen haben sich so ereignet, wie ich sie beschrieben habe. In dem Buch fließen meine persönlichen Erfahrungen aus über zwanzig Jahren als Gerichtsreporterin ein.

Möchten Sie Ihren Lesern mit »Wahre Verbrechen« eine bestimmte Botschaft mitgeben?
Ich möchte mit dem Buch über wahre Kriminalfälle auch Hintergründe aufzeigen; es gibt bei einem Verbrechen nicht einfach Gut und Böse, nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch viele Grautöne. Hinter jedem Täter und hinter jedem Opfer steht eine Lebensgeschichte. Es sind diese Geschichten und die Umstände, die dazu führten, dass jemand zum Täter oder zum Opfer wurde, die mich als Gerichtsreporterin immer fasziniert haben. Und das möchte ich auch weitergeben.

Was inspiriert Sie und wie finden Sie Ihre Themen?
Die Realität ist meine Inspiration – auch wenn die Realität die Fiktion leider in ihrem Schrecken meist übertrifft. Ich lasse in meine Bücher oft eines oder mehrere reale Verbrechen als Nebenfall einfließen. Auch Verbrecher und Mörder, über die ich als Journalistin geschrieben habe, dienen mir als Beispiele, wenn ich Charaktere erschaffe.
Oft fliegt mir eine Idee einfach so zu, in einer realen Situation, die ich mit einem fiktiven Gedanken oder Fortgang ergänze – und meist weiß ich in der ersten Sekunde, dass daraus ein Buch werden wird. Diese erste Idee bettet sich wie ein kleiner Samen in meinen Kopf, der dann langsam aber sicher zu einem Plot heranwächst.

Wie kamen Sie zum Schreiben?
In der vierten Klasse, da war ich zehn, schrieb ich zur Frage „Was ich einmal werden will“ in dem Buch „Meine Schulfreunde“ folgenden Berufswunsch hin: Schriftstellerin oder Detektivin (was ich selbst längst vergessen habe – an meiner ersten Premierenlesung wurde ich darauf aufmerksam gemacht). Ich finde, als Krimiautorin habe ich meine beiden Wünsche von damals in einem Beruf vereint.
Ich habe schon immer gerne geschrieben und verfasste bereits während des Studiums Artikel für die Berner Zeitung, bald auch schrieb ich erste Gerichtsreportagen. Irgendwann wurde ich von einer befreundeten Verlegerin gefragt, ob ich für eine Anthologie einen Kurzkrimi schreiben würde – das fiktive Schreiben hat mir so gut gefallen, dass ich danach den ersten Kriminalroman schrieb.

Würden Sie uns ein wenig von sich persönlich erzählen, Frau Brand? Von Ihren Hobbys, Ihrer aktuellen Lebenssituation, Ihrem Traum vom Glück …?
Als ich mich 2017 selbständig machte, kündigte ich nicht nur meinen Job bei der Zeitung, sondern auch meine Wohnung und ich gab mindestens Dreiviertel meines Besitzes weg. Ich besitze heute noch ein Bett, Kleidung, einen Tisch, einen Stuhl, ein Akkordeon, ein paar Bücher, meinen Laptop und eine Campingausrüstung. Das Loswerden von Besitz hat auch dazu geführt, dass ich sehr selten etwas kaufe – zumal ich ja auch keinen Platz dafür habe.
Denn seit 2017 lebe ich als schreibende Nomadin, mein zweites Zuhause ist die tansanische Insel Sansibar, wo ich mich fast die Hälfte des Jahres aufhalte. Dort lebe ich in einem blauen Zimmer in einem Haus einer afrikanischen Familie. Aber auch auf anderen Kontinenten bin ich schreibend unterwegs, zum Beispiel in Indonesien, nicht selten als Hunde- und Haussitter; ich kümmere mich um Haus und Hunde von Reisenden und kann dafür gratis in deren Zuhause leben und arbeiten. Wenn ich in der Schweiz bin, miete ich mich in einem Zimmer bei einer Freundin ein. Eine eigene Wohnung habe ich nicht mehr. Dadurch habe ich die Freiheit gewonnen, dort zu sein und zu arbeiten, wo immer ich will, wobei mein Motto im Vordergrund steht: Mehr Meer und nie mehr Winter. Das war schon lange bevor ich Krimis schrieb mein Traum. Und durch die Selbständigkeit als schreibende Nomadin ist der Traum in Erfüllung gegangen.

Womit kann man Sie wütend machen und richtig auf die Palme bringen?
Ignoranz, Ungerechtigkeit, Populismus, Unfairness, Rassismus und Vorurteile machen mich wütend.

Und wofür engagieren Sie sich?
Ich bin und war in der Flüchtlingshilfe aktiv, habe zwei „adoptierte“ Brüder, Tekle aus Eritrea und Renas aus Syrien, ich habe auch mehrere Wochen als Freiwillige in Griechenland in Flüchtlingscamps gearbeitet

Verraten Sie uns bitte fünf Dinge, die wir noch nicht über Sie wissen:
1. Ich bin etwa sieben Mal den Jungfraumarathon gerannt (42 km, 1800 Höhenmeter) (Jungfraumarathon heißt er, weil man auf den Berg namens Jungfrau rennt, nicht aus anderen Gründen…)
2. Ich mag keine Schnittblumen (und erhalte an fast allen Lesungen solche geschenkt)
3. Ich spreche Swahili (aber noch nicht sehr gut)
4. Sie brauchen ja nicht ganz alles zu wissen :-)

Haben Sie eine Internetseite oder schreiben Sie einen Blog?
Ja, ich schreibe einen Blog im Magazin Schweizer Monat. Denn stell ich dann ab und zu auch auf die Website. Ich habe nebst der Autorenwebseite auch eine Fotowebseite mit Aufnahmen von meinen Reisen und eine Reisewebseite mit einem Reiseblog, der aber etwas in die Jahre gekommen ist.

Wo machen Sie es sich am liebsten mit einem Buch gemütlich? Stellen Sie uns kurz Ihren Lieblings-Leseort vor.
Ich lese oft und überall und vor allem auch, wenn ich unterwegs bin in Zug oder Flugzeug. Mein Lieblingsort zum Lesen ist aber eine Terrasse in meinem zweiten Zuhause in Stone Town auf Sansibar, einem sogenannten Tea-House, von dem man über die ganze Stadt blicken kann.

Was ist Ihr liebstes Reiseziel?
Ich habe über siebzig Länder – meist als Backpacker – bereist. Meine Lieblingsländer sind Indien, Island und jenes Land, in das ich immer wieder zurückkehre: Tansania. Nicht nur die Insel Sansibar, die meine zweite Heimat wurde, sondern auch das Festland mit den Nationalparks wie der Ngorogoro Krater oder mit dem Kilimanjaro sind etwas vom Schönsten, das ich je gesehen habe. Mein liebstes Reisebild stammt aber aus Indien. Es ist kein schönes Landschaftsbild – aber eines meiner liebsten Reisebilder, weil es zeigt, wie ich unterwegs bin – oft eben auch in einem vollgepackten Bus.

Haben Sie ein Lebensmotto?
Unabhängigkeit.


Kurze Lebensgeschichte von Christine Brand
Ich war ein glückliches Kind umgeben vom Tod: Rechts von uns wohnte der Jägermeister, links der Metzger – und mein Vater, der Dorfschreiner, führte ein Bestattungsinstitut. Auf unserem Dachboden reihten sich Särge, das Autofahren habe ich im Leichenwagen erlernt. Werde ich an Krimi-Lesungen gefragt, warum ein solch sonniges Gemüt genauso wie eine derart morbide Ader habe – dann gebe ich gerne meiner Familie die Schuld. Der Tod war real und nah und greifbar – was unvermeidbar prägend war.

Prägend war ebenfalls ein Kriminalfall, ein aufsehenerregender und umstrittener Mordfall, der sich in meiner Jugendzeit ereignete und der die Bevölkerung aufwühlte und spaltete. Ich habe damals die Schule geschwänzt, um im Gerichtsaal dabei zu sein. Die Faszination und das Interesse an Gerichtsfällen war geweckt und blieb: Nach meiner Ausbildung zur Lehrerin wechselte ich sofort in den Journalismus. Ich war mein Leben lang eine Vollblutjournalistin und Gerichtsreporterin, ich kann die Mörder, denen ich in Gerichtssälen und in Gefängnissen begegnet bin, kaum mehr zählen. Ich schrieb oft über Kriminalität, Justiz, Terror auch. Stunden nach dem Attentat auf den Bataclan-Club in Paris war ich vor Ort, um zu berichten, ich war im Quartier Molenbek in Belgien auf Reportage, um die Spuren der Attentäter zu verfolgen, ich stand auf dem Maidan in Kiew, während auf den Dächern Scharfschützen die Demonstranten im Visier hatten. Und ich realisierte mehrere Reportagen aus Gefängnissen, unter anderem aus einem Hochsicherheitstrakt in Hongkong. Ich habe über aufsehenerregende Gerichtsfälle geschrieben und tue es noch heute – zum Beispiel über den Fall Fritzl in Österreich oder über den Todespfleger Niels H. in Deutschland.

In den letzten zehn Jahren habe ich für das Ressort Hintergrund bei der NZZ am Sonntag gearbeitet. Zuvor war ich vier Jahre lang TV-Reporterin für die Hintergrundsendung Rundschau des Schweizer Fernsehens. Vorher arbeitete ich für verschiedene Schweizer Tageszeitungen.

Wichtige Ereignisse in meinem Leben waren ein einmonatiger Einsatz als Freiwillige in griechischen Flüchtlingscamps und eine siebenmonatige Reise rund um die Welt, beides im Jahr 2016.

Wahre Verbrechen

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