»Mosaphir – Die Reise zu deinem inneren Licht«

Auf einmal war da diese kleine Elfe namens Mosaphir. Was sie dem Kinderarzt Vincent über den Sinn des Lebens, die wahre Natur des menschlichen Geistes und eine verborgene Realität hinter der alltäglichen erzählt, stellt alles auf den Kopf, was er bisher zu wissen glaubte. Nach und nach erwacht Vincent aus seinem unbewussten Leben und er erkennt: Es bleibt nur noch wenig Zeit, um die Herzen der Menschen und das Schicksal unserer Welt zu retten ...

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Christiane Hansmann
© Luca B. Hansmann

Über Christiane Hansmann

Christiane Hansmann wurde 1972 in Heidelberg geboren. Mit Anfang 20 begann durch ein einschneidendes Erlebnis ihre eigene Bewusstseinsreise. Die Begegnung mit Menschen bestimmte lange ihr berufliches Wirken als Physiotherapeutin, Heilpraktikerin und Reinkarnationstherapeutin. Der Erfolg ihres ersten Buchs Ohne Worte. Auf dem Weg in deine eigene Authentizität, das 2019 erschien, veränderte ihr gesamtes Leben. Heute arbeitet Christiane Hansmann als Autorin, Medium und Soulcoach. Das gesammelte Wissen und ihre Erkenntnisse stellt sie in Workshops, Vorträgen, Interviews und Büchern zur Verfügung.
Besonders am Herzen liegen ihr die Geschehnisse in der inneren Welt eines jeden Menschen, da diese, ihrer Auffassung nach, unser aller Sein kreieren. Mit ihrem Buch Mosaphir. Die Reise zu deinem inneren Licht möchte sie eine Tür öffnen, die in einen Raum der eigenen Seinswahrheit führt.

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LESEPROBE

Teil 1: Die Elfensphäre

Kapitel 1

Sie stand plötzlich vor Vincent, klein und zierlich mit glitzernden Flügelchen, die in ihrer feinen, fast durchsichtigen Art aufgeregt flatterten. Mit großen liebevollen Augen schaute sie ihm ins Gesicht. Er starrte zurück, rieb sich die Augen und starrte wieder. Ihre Gesichtszüge waren fein, und ihre Haut war glatt wie Marmor, aber bräunlich schimmernd.
»Hallo«, flüsterte sie.
»Hallo«, antwortete er, aber eher aus einem Reflex heraus. Sein Unterkiefer blieb perplex heruntergeklappt.
Vincent war auf dem Weg zu seinem Lieblingsplatz im Wald, der direkt an seinen Wohnort angrenzte.
»Du brauchst keine Angst zu haben. Nein, du träumst nicht, dies ist die Realität. Ich existiere wirklich. Willst du dich setzen?« Vincent sah sie mit seinen großen grünen Augen an. Er hatte sich wirklich gerade gefragt, ob er eingeschlafen war und träumte. Konnte sie auch Gedanken lesen?
»Ja, das kann ich«, flüsterte sie. Ihre Flügel flatterten noch stärker und ihre nackten, zarten Füße erhoben sich vom feuchten Waldboden. Ganz langsam flog sie in Höhe seiner linken Schulter an ihm vorbei. Fast hätte man meinen können, sie schwebe. Er roch den leichten Duft von Flieder. Erstaunlich – sie hatte den Geruch von Flieder. Wie wundervoll!
Verdutzt drehte er sich zu ihr um. In dem Moment blieb sie in der Luft stehen. Jetzt war dieses kleine Wesen genau auf seiner Augenhöhe. Die ersten Sonnenstrahlen dieses Frühlingstages ließen ihre flatternden Flügelchen glitzern.
»Komm mit«, hörte er sie sprechen.
»Aber wohin? Wer bist du überhaupt?«, fragte er und langsam löste sich seine Erstarrung.
»Ich heiße Mosaphir. Ich bin die Hüterin von Steinen und Kristallen.«
»Ach so, na dann«, rutschte es ihm raus. »Ich bin ein Mann der Realität, so etwas wie dich gibt es nicht.«
»Du hast recht, du bist ein Mann der Realität, und genau deshalb bin ich zu dir gekommen«, flüsterte sie.
»Du widersprichst dir«, sagte er.
»Nein, du widersprichst dir«, entgegnete sie nun etwas bestimmter. »Ich bin Realität. Oder glaubst du, du hast eine Halluzination?« Ein Lachen formte sich in ihrem herzförmigen Gesicht, und sie sprach weiter: »Du bist sehr lustig. In welcher Welt lebst du eigentlich? Eine sehr schräge, verschobene Welt. Ich bin hier, um dir eine andere Realität als deine jetzige zu zeigen. Wir haben uns schon mal getroffen, viele, viele Leben zuvor.«
Sie setzte zu einer längeren Rede an.
»Schau, ihr Menschen glaubt, euer Leben beinhaltet Anfang und Ende eurer Reise hier auf der Erde. Was wäre, wenn ich dir sage, dass du bereits ganz viele Leben gelebt hast? Du bist ein Wesen, das schon viele Male als Mensch auf der Erde war. Ihr nennt dieses Phänomen auch Inkarnationen. In all den Leben erschaffst und durchlebst du verschiedene Erfahrungen. Deine Seele ist dein Kern. In ihm sind alle Erfahrungen, die du jemals machen wirst, bereits gespeichert. In deinen Inkarnationen erweckst du diese Seelenerfahrungen zum Leben und machst sie dadurch für dich erfahrbar.
Deine erste Inkarnation auf der Erde war ein Leben als Atlantaner. Bei euch hier existieren viele verschiedene Geschichten über Atlantis. Manche sprechen von einer versunkenen Stadt, andere von einer untergegangenen Hochkultur und wieder andere sagen, Atlantis wäre durch eine riesige Explosion zerstört worden. Zu deiner Zeit als Atlantaner warst du noch an die universelle Quelle angebunden und dir der universellen Gesetze bewusst.«
Sie schaute ihn, noch immer vor seinem Gesicht schwebend, gütig an.
»Vincent, ich weiß, dass dich meine Worte überfordern und du gerade damit beschäftigt bist einzusortieren, was hier passiert. Mach dir keine Sorgen, ich werde dich auf dieser Reise begleiten, dich nach und nach in die Geheimnisse des Lebens einführen und sie mit dir gemeinsam wie ein großes Puzzle zusammenfügen.
Ich bin jetzt in dein Leben getreten, weil wir zu der Zeit von Atlantis eine Freundschaft und ein tiefes Vertrauen zueinander entwickelt hatten. Du hattest damals als Atlantaner die große Gabe, in die Stille zu gehen, dich in eine tiefe Meditation zu versetzen und in diesem Trancezustand mit mir in der Elfensphäre eine Verbindung aufzubauen. Ich war eine Helferhüterin im Garten der Saphire. So bekam ich jeden Tag von deinem Geist in meinem Türmchen Besuch. Wir tauschten universelles Wissen aus. Damals warst du ja noch an die universelle Quelle angebunden. Du lehrtest mich das Wesen der Menschen, sodass ich euch tiefer erfassen konnte. Ich gab das von dir vermittelte Wissen weiter an unser Elfenvolk. Zum Ausgleich dafür erzählte ich dir alles über uns Elfen und all die anderen Welten und ihre Wesen. Dieser Erfahrungsaustausch hat uns beide sehr bereichert, und wir sind unserer Aufgabe nachgegangen, dieses Wissen mit anderen zu teilen.
Wir beide wussten zur damaligen Zeit in Atlantis, dass die Menschen kurz davor standen, aus ihrer Verbindung mit der universellen Quelle zu fallen und dadurch hinter dem Vorhang des Vergessens zu verschwinden. Ich versprach dir, eines Tages, zum perfekten Zeitpunkt, wieder in deinem Leben zu erscheinen, um dich neu an dich selbst zu erinnern. Vincent, ich werde dir eine Wirklichkeit zeigen, die du in der Abtrennung vergessen hast.«
»Hä? Hallo? Hast du den Verstand verloren? Kann ich dir irgendwie helfen?«, fragte er und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
»Du bist wirklich komisch, hihi. Ich bin hier, um dir zu helfen. Hast du das vergessen?«, lachte sie.
»Ach natürlich, ich vergaß«, fügte er ironisch hinzu und hob dabei eine seiner buschigen Augenbrauen.
Vincent versuchte krampfhaft, seine innere Stabilität wiederzugewinnen. Sein Gesicht hatte an Farbe verloren, ihm wurde schwindelig und Panik stieg in ihm auf.
»Okay, dann hilf mir! Scheinbar habe ich von einem giftigen Pilz gegessen und halluziniere wirklich. Ich glaube, ich muss mich übergeben.«
Vincent stolperte hastig über eine mit Moos bedeckte Baumwurzel und übergab sich geräuschvoll hinter dem nächsten Baum. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn, und er hatte Angst, dass sein Kreislauf gleich versagen würde. Vor allem aber hatte er Angst, sich umzudrehen und zu sehen, dass dieses Wesen noch immer da war. Er wollte doch nur an diesem wunderschönen Frühlingsmorgen spazieren gehen, um sich den Wind um die Ohren pusten zu lassen. Dabei hätte er über sein kaputtes Leben nachdenken können. Doch jetzt schien er vor lauter Stress noch durchzudrehen. Na wunderbar!
Mosaphir flog behutsam von hinten an ihn heran.
»Dass dir übel wird, bewirkt die erhöhte Schwingung der Energien, die allein durch meine Anwesenheit für dich spürbar wird. Sie bringt deinen Körper zum Schwingen, in einem Maße, wie du es nicht gewohnt bist. Du wirst dadurch gereinigt. Wenn dies schnell passiert, wie jetzt eben, weil ich so schnell mit dir in Kontakt kam, kann das zu Übelkeit führen.«
Vincents Blick war noch auf den Boden gerichtet und die Stimme drang von hinten an sein Ohr. Er verdrehte die Augen. Sie war da!
Mosaphir war mittlerweile um den Baum herumgeflogen, an dem Vincent stand, und blickte ihm voller Zuneigung in die Augen.
»Ja, natürlich bin ich da, so schnell wirst du mich nicht los. Ich bleibe hartnäckig. Folgst du mir nun?«, fragte sie und flog auffordernd in Richtung Waldrand.
»Nein, ich folge dir nicht. Ich gehe jetzt nach Hause, bereite mein Frühstück zu und werde zur Arbeit gehen. Du brauchst mich gar nicht so von unten anzuschauen und versuchen, dabei süß auszusehen. Es nützt nichts. Nein, halte deine Flügel still und flieg mir nicht vor dem Kopf herum. Du machst mich ganz nervös«, fauchte er sie an.
»Ich werde mit dir mitkommen! Das habe ich dir damals versprochen. Damals sagtest du mir, dass du in der Zeit des Vergessens nicht mehr an mich glauben würdest und dass ich trotzdem bei dir bleiben soll. Ja, du warst einmal sehr weise. Und ich handle in deinem Namen und bleibe bei dir!«
Energisch streckte sie ihr spitzes Kinn nach vorn und zeigte ihm so, wie überzeugt sie von dem war, was sie sagte.
»Also, sowas, jetzt nimmst du mich auch noch als Rechtfertigung für deine Penetranz. Mit irgendwelchen dahergeholten Erklärungen, die ich kein Stück nachvollziehen kann. Flatter weg und lass mich allein.« Er wurde so laut, dass alle Vögel um sie herum verstummten.
Mosaphir schwebte vor seinem Gesicht, ihre zarten Flügel glitzerten in der Sonne und ihr Gesicht sprach von Entschlossenheit.
Langsam wurde er müde von dieser irrwitzigen Situation. »Ich stehe im Wald und streite mit einem Wesen, das gar nicht existiert. Das sich selbst Mosaphir nennt und Hüterin von Steinen und Kristallen sein soll. Dass ich nicht lache!« Vincent winkte ab. »Das ist alles nicht wahr! Ich gehe jetzt nach Hause.
Mit diesen Worten drehte er sich um und ging den Weg, den er gekommen war, zurück. Er ignorierte alles Erlebte und konzentrierte sich darauf, was er an diesem Tag noch zu erledigen hatte. Das leise Flattern hinter ihm, das ihm zu folgen schien, konnte er nicht ganz überhören. Aber er bemerkte, dass es mit jedem entschiedenen Schritt in Richtung Waldrand, in Richtung seines eigenen Lebens, seiner eigenen Realität, etwas leiser wurde.


Kapitel 2

Vincent betrachtete das Muster auf seinem Frühstückstisch, das von den frühen Sonnenstrahlen gemalt wurde. Er war ein großer, schlaksiger Mann mit kurzen Haaren. Das Auffälligste an ihm waren seine großen grünen Augen und seine buschigen Augenbrauen. Er hatte schöne weiße Zähne, die seinem Lächeln etwas Bezauberndes schenkten.
Er überlegte, wann er heute einkaufen gehen könnte, denn er hatte das letzte Stückchen von der Butter genommen. Appetitlos ließ er die zweite Hälfte seines Brötchens liegen und verkroch sich mit der Zeitung auf die Toilette.
Seine Nachbarin spielte schon wieder eine ihrer Lieblings-Mozart-CDs. Konnte in diesem Haus nicht einmal Ruhe sein! Er hatte aufgrund seines Berufs viel Lärm um die Ohren und nicht mal in seinen eigenen vier Wänden konnte er Stille genießen.
Seine Nerven waren gereizt. Er ertrug sich selbst nicht. Jetzt war es 8.30 Uhr und um 9.30 Uhr fing seine Sprechstunde an. Ihn plagte der Gedanke an seine Arbeit. Er fühlte sich ausgelaugt und unfähig. Unfähig, sich dem Leben weiterhin zu stellen. Er hatte ihm nichts entgegenzusetzen. Erst gestern musste er bei einem dreijährigen Mädchen Leukämie diagnostizieren. Er sehnte sich nach Ruhe und wollte nicht schon wieder in seine überfüllte Praxis kommen.
Gedankenverloren faltete er die Zeitung zusammen, wusch sich die Hände und schlurfte zurück in die Küche. Seit gestern beschäftigte ihn der Fall dieses Mädchens sehr stark. Er wusste nicht, was ihn an der Situation mehr beeindruckte. Die besondere Ausstrahlung, die sie hatte, oder diese erstaunliche Geste, als sie ihm lächelnd eine Hand auf sein Knie legte, fast als wolle sie ihn trösten. Doch war nicht sie es, die Trost brauchte? Elenor war ihr Name, Elenor Luge.
Nachdem er seinen Einkaufszettel geschrieben hatte, packte er ihn in seine Tasche. In der Mittagspause würde er Butter holen, Spaghetti für heute Abend, vielleicht noch seinen Lieblingsjoghurt: Vanille.
Was ist das für ein Leben, wo dreijährige Kinder sterben müssen? Mit diesem Gedanken schloss er die Haustür hinter sich zu.



Kapitel 3

Verträumt saß sie auf der Fensterbank und genoss diesen wunderschönen Frühlingstag. Ihre kleinen Beinchen ließ sie nach draußen baumeln. Ihre Füße spielten mit dem Gras, das schon fast bis zum Fenster hinaufgewachsen war. Mit ihren dunkelbraunen mandelförmigen großen Augen folgte sie dem Flug eines Vogels. Ihre Augenbrauen waren in einem hübschen Halbrund geschwungen. Ihr braunes, gekringeltes Haar trug sie offen, es fiel ihr bis auf die Schultern. Ihr Kleid hatte einen warmen hellen Orangeton. Vorn zierte es eine Knopfleiste, und hinten waren zwei Öffnungen eingelassen für ihre Flügel, die für eine Elfe eher mittelgroß waren. Unter dem Kleid trug sie rote Leggings.
Im Garten stand ein verträumter Kirschbaum, der seine Blüte zur Schau stellte. Bienen und Hummeln durften von ihm kosten.
»Er sieht prächtig aus, wie er da so steht«, dachte Mosaphir, »seine knorrigen Äste sprechen von seinem hohen Alter.« Ab und zu ließ sie ihre Flügelchen flattern, um sich selbst Kühlung zu verschaffen. Die Sonne hatte schon sehr viel Kraft.
Sie lehnte sich an den Fensterrahmen. Ein Monat war vergangen, seit sie Vincent im Wald auf sich aufmerksam gemacht hatte. Seitdem saß sie auf dem knorrigen Kirschbaum und beobachtete ihn von dort aus tagein, tagaus. Sie sah, wie er morgens allein frühstückte, zur Arbeit ging, abends müde nach Hause kam, Fernsehen schaute und irgendwann um 23 Uhr herum ins Bett fiel.
Meistens sah er traurig aus und sein blasses Gesicht zeigte eine erschöpfte Leere. Zwei tiefe Furchen gruben sich in seine Stirn. So als würde er viel nachdenken. Sie wusste, worüber er grübelte: über sein Leben. Oder vielmehr: über das Leben. Sie wusste, dass seine Gedanken nun schon seit einem Monat um ein kleines Mädchen namens Elenor kreisten, das unheilbar an Leukämie erkrankt war.
Mosaphir wusste, dass Vincent nachts sogar von Elenor träumte. Sie ging ohne Haare mit einem weiß schimmernden Köpfchen und mit einem weißen Hemdchen bekleidet einen Flur entlang. Am Ende war ein helles Licht. Sie ging darauf zu, und als sie im Licht verschwand, schrak Vincent jedes Mal schweißgebadet aus dem Schlaf auf und schrie. Mosaphir konnte all dies beobachten und konnte doch nichts tun. Er wollte sie nicht an seiner Seite haben.
Sie bedrückte es, dass er sie offenbar komplett verdrängt hatte und seine Chance verpassen würde. Er hatte im letzten Monat nicht einmal mehr an sie gedacht. Wenn sie in seinen Gedanken las, waren da Gedanken über Elenor oder alltägliche Dinge, die er erledigen wollte. Manchmal musste Mosaphir weinen, weil er so traurig aussah, so einsam. Sie liebte Vincent von ganzem Herzen. Es war ihr ein Seelenbedürfnis, ihm beizustehen und ihn zu unterstützen. Doch sein freier Wille hatte entschieden, sie zu verdrängen und als unwirklich abzustempeln. Dies war seine Wahl.
Mosaphir blickte gedankenverloren in den verwilderten kleinen Garten hinter dem Haus. Viele kleine Blumen blühten jetzt und spielten mit ihren Farben.
Plötzlich hörte sie den Schlüssel im Türschloss. Aufgeregt flatterte sie von der Fensterbank in die Lüfte und flog auf den weiß strahlenden Kirschbaum. Der Baum war mittlerweile ihr Freund geworden und erzählte ihr viele Geschichten, während sie auf Vincents Rückkehr von der Arbeit wartete. Er erzählte auch Geschichten über Vincent aus der Zeit, als er noch verheiratet war und seine Frau schwanger wurde.
Vincent kam zur Tür herein, ließ seine Tasche auf den Boden fallen, schleppte sich ins Schlafzimmer und ließ sich mit dem Rücken aufs Bett fallen. Dort blieb er regungslos liegen. Nur sein Brustkorb hob sich im Rhythmus der Atmung. Mosaphir konnte dieses Schauspiel vom Baum herunter durch das Fenster beobachten. Sie ließ die Flügel hängen, denn sie ahnte, was dies zu bedeuten hatte: Es war Dienstagvormittag und Vincent müsste jetzt eigentlich in der Praxis sein. Man brauchte ihn dort. Aber er war nach Hause gekommen und sah fürchterlich aus. Aus seinen rot verweinten Augen liefen schon wieder Tränen über seine Wangen. Er wirkte wie erstarrt, durch seine Blässe fast wie versteinert.
»Liebe sei mit dir«, flüsterte Mosaphir, und ein zarter rosa Lichtstrahl strömte aus ihrem Herzen direkt in Vincents Herz hinein. In diesem Moment fing er an zu schluchzen und schüttelte sich vor lauter Weinen. Die ganze Trauer brach aus ihm heraus und er rollte sich zusammen wie ein Säugling.
Er weinte und weinte.
»Bitte, wenn es irgendeine höhere Intelligenz hier auf Erden gibt, hilf mir!«, schluchzte Vincent in sich hinein. Er war so von Schmerz erfüllt, dass er seinen Körper kaum noch spürte. Über Mosaphirs Gesicht breitete sich ein dickes Lachen aus. Ihr Gesicht strahlte und ihre Augen funkelten vor Freude. Jetzt war ihre Zeit gekommen. Sie durfte ihm aus der Nähe, in seinem Bewusstsein, beistehen.
Ganz zaghaft öffnete sie von außen das angelehnte Fenster. Sonnenstrahlen und Vogelgezwitscher drangen verstärkt ins Zimmer und der Parkettboden schimmerte fast golden in der Sonne. Mosaphirs zerbrechliche Gestalt flatterte in Vincents Schlafzimmer. Sie schien auf den Sonnenstrahlen zu schweben. Ganz vorsichtig ließ sie sich neben seinem Gesicht heruntergleiten. Ihre klitzekleine Hand legte sie auf seine Wange.
»Sie ist gestorben, nicht wahr?«, flüsterte sie ihm ins Ohr. Er öffnete die Augen, blickte in ihr kleines liebevolles Gesicht und schluchzte: »Ja, sie ist tot, Elenor ist tot.«
Er schien sich nicht zu wundern, dass eine kleine Elfe neben seinem Gesicht saß und eine Hand auf seine Wange gelegt hatte. So lag er lange auf seinem Bett, Mosaphir saß neben ihm und streichelte sein Gesicht. Sie spürte seinen Schmerz in sich selbst und war einfach mit ihm.
Es vergingen Stunden. Die Sonnenstrahlen zogen sich aus dem Zimmer zurück. Es wurde Abend.
»Danke!«, flüsterte Vincent. Er schloss die Augen und schlief vor Erschöpfung ein. Mosaphir flog zurück auf den Kirschbaum, der zu ihrem vorübergehenden Zuhause geworden war. Sie lehnte sich mit dem Rücken an den dicken alten Stamm,
»Dies war ein guter Tag«, sagte sie zu dem Baum, der sich sanft im aufkommenden Abendwind bewegte.

Kapitel 4

Vincent hatte sich spontan eine Woche krankgemeldet. Der Frühling zeigte sich von seiner besten Seite, die Natur demonstrierte ihre Fruchtbarkeit. Alles erblühte und Vincent schöpfte Kraft inmitten seines Gartens.
Er holte seine Gartenmöbel aus der Garage, schrubbte den Winterdreck herunter und legte sich auf den Liegestuhl ins hohe Gras direkt unter den Kirschbaum. Durch die Äste betrachtete er den strahlend blauen Himmel und dachte an den gestrigen Tag.
»Wie stark mich Elenors Tod berührt hat! Dieses kleine Mädchen ist dem Tod so gefasst und beinahe gelassen entgegengetreten. Ich bewundere sie! Sie besaß eine Stärke, die ich nicht habe. Ihre Augen strahlten etwas Besonderes aus. Eine Güte, ein Mitgefühl. Ja, sie war voller Liebe zu ihrer Umwelt. Ein ungewöhnliches Kind.«
Er spürte, wie viel Angst er selbst hatte. Und wie sehr er sich dafür verachtete. Angst vor dem Tod, Angst vor dem Schmerz. Vor Schmerzen, wie er sie gestern erfahren hatte. Vor Schmerzen, die ihm die Sinne raubten. Vor Schmerzen, die seelisch waren und doch körperlich zu spüren.
Es gab eine Zeit vor Elenor, da hatte er sich geschworen, diese Schmerzen nie wieder zuzulassen. Nie wieder wollte er fühlen, was er gefühlt hatte. Er wollte keine seelische Qual mehr erleiden. Es kam ihm so vor, als hätte das auch jahrelang so funktioniert. Er ist seiner Arbeit nachgegangen, hatte schöne Urlaube in fernen Ländern gemacht. Sein Leben plätscherte angenehm vor sich hin. Dies genügte ihm, solange der Schmerz bloß nicht wiederkam.
Er hatte damals, als seine Frau und sein Kind gestorben waren, über ein Jahr lang mit unermesslichen Schmerzen leben müssen. Tagein, tagaus waren sie seine Begleiter gewesen. Bis er den Entschluss gefasst hatte, nichts mehr fühlen zu wollen.
Jede Nacht hatte er sich in den Schlaf geweint. Wenn er morgens aufwachte, begann der Albtraum, der seine Realität geworden war, von Neuem. Seine ganze Kraft musste er sammeln, um aufstehen zu können und seinen Alltag zu bestehen. Abends fiel er erschöpft ins Bett und der Schmerz sprach deutlicher denn je zu ihm. Alle zwei Monate wurde er von Fieberschüben heimgesucht. Doch sie hatten keine körperliche Ursache.
Irgendwann ließ der Schmerz etwas nach und der Alltag gewann an Gewicht. Vincent beschloss, nicht mehr zu fühlen. Bis Elenor eines Tages in seinem Leben auftauchte. Ihre Geschichte traf ihn mitten ins Herz. Und er hatte das Gefühl, dem gleichen Schmerz wie damals mit der gleichen Intensität gegenüberzustehen. Er fühlte sich in einer Sackgasse und sah für sich keinen Weg mehr.
Die Sonne blendete ihn, sie schien durch die Äste des Kirschbaums direkt in sein Gesicht. Er schloss die Augen und sah das Bild seiner schwangeren Frau vor sich. Sie lächelte ihn liebevoll an. Tränen rollten über seine Wangen. Er vermisste sie unendlich, wollte sie berühren, ihre Stimme hören und den Duft in der Wohnung wahrnehmen, der ihre Anwesenheit offenbarte. Sie roch so wundervoll nach Flieder. Diese Sehnsucht verzehrte und lähmte ihn.
»Hallo.« Von hinten klopfte jemand an seine Schulter.
»Hallo?«, fragte Vincent überrascht und drehte sich gespannt um.
»Hallo, ich bin es, Mosaphir. Ich saß oben im Kirschbaum auf einem dicken Ast und habe dich hier unten liegen sehen. Wie geht es dir heute Morgen?« Mit diesem Satz flatterte sie um den Liegestuhl herum und setzte sich auf Vincents linkes Knie.
»Hallo. Dich gibt es also doch. Ich war gestern vor Trauer nicht ganz bei Sinnen. Heute Morgen lag ich allein im Bett. Da dachte ich, ich hätte mir wieder alles eingebildet«, sagte Vincent.
»Nein, ich bin Wirklichkeit, wie ich schon sagte. Wie geht es dir?«, wiederholte sie und schaute ihm neugierig in die Augen.
»Ich fühle mich erschöpft, aber durchaus etwas erleichtert, nicht mehr so versteinert. Jetzt erklär mir aber bitte, wer du bist und woher du kommst? Warum ich dich sehen kann und was du von mir willst? Ich habe das Gefühl, mein Kopf schaltet quer.«
Vincent fühlte sich überfordert. Vorsichtig rutschte er ein Stückchen nach vorn und setzte sich mit seinem schlaksigen Körper aufrecht hin. Die Ereignisse hatten sich in der letzten Zeit überschlagen und nun saß tatsächlich eine kleine Elfe auf seinem linken Knie. Sie sah niedlich aus. Er musste sich eingestehen, dass er Mosaphir mochte. Aber er fühlte nicht nur Sympathie, er bewunderte ihre Art. Sie war drollig. »Putzig« hatte seine Frau immer gesagt, wenn sie von kleinen Dingen ganz entzückt war.
»Ja, dein Kopf schaltet tatsächlich quer. Neue Synapsen und Nervenbahnen bilden sich aus, sodass dein Wahrnehmungsspektrum größer wird. Dieser Vorgang hat allerdings bei dir erst angefangen und wird eine Zeit lang dauern. Deine Fragen werde ich dir nach und nach beantworten.« Mosaphir klatschte vor Freude in die Hände.
Vincent wollte nicht weiter auf ihre Theorie der Wahrnehmungsspektrumserweiterung eingehen, da er das Gefühl hatte, dass Mosaphir auf diese Frage jetzt nicht antworten würde.
»Komm mal her. Gleich hier an deinen Kirschbaum!«
Mosaphir war schon zum Baumstamm geflogen und flatterte aufgeregt von rechts nach links. Vincent erhob sich müde von seinem Stuhl.
»Lehn dich an den Baum.« Vincent näherte sich unbeholfen mit vorgestrecktem Bauch dem kräftigen Baumstamm. Ein Gefühl der Verwirrung breitete sich in ihm aus. Er schien nicht zu verstehen, was gerade um ihn herum geschah.
»Nein, andersherum, mit dem Rücken an den Stamm.«
Er tat, was Mosaphir vorschlug, ohne den Sinn nachvollziehen zu können. Er lehnte sich mit dem Rücken an den Baumstamm. Sie fügte hinzu: »Den inneren Beobachter zu üben, ist eine sehr wertvolle Tätigkeit. Denn dein innerer Beobachter kann auch deine Gefühle betrachten, ohne mit ihnen zu verschmelzen. Wenn du das beherrscht, erkennst du, dass du nicht deine Gefühle bist. Du erfährst, dass deine Gefühle nur Energien sind, die durch deinen Körper fließen. Vincent, schau, so kannst du deine trauer und deinen Schmerz viel besser ertragen und dadurch auch heilen.«
»Wer ist denn der Beobachter in mir? Und wer bin dann ich?«, fragte Vincent.
»Deine Heimat ist in deinem Herzen. Von dort aus kannst du alles in dir beobachten. Stell dir vor, dass du aus einem anderen, einem unendlichen Raum hier in dieses Leben als Mensch geboren wurdest. Aber du als vollkommenes Bewusstsein bist noch in dem anderen unendlichen Raum vorhanden und schaust mit deinen Augen durch dein Herztor in dein heutiges Leben hinein. Das ist dein innerer Beobachter. Du bist Bewusstsein, Vincent, das in all den Leben Erfahrungen erschafft.« Mosaphir war voller Freude, Vincent dies alles erklären zu dürfen.
»Mosaphir, das verstehe ich nicht.« Vincent verzagte. »Nicht schlimm, ich erkläre es dir anhand eines Beispiels: Kannst du dich an die Sommer im Freibad erinnern? Wenn du oben auf der Plattform der langen Wasserrutsche stehst, kannst du den ganzen Verlauf der Rutsche überblicken. Du siehst die scharfen Kurven, steilen Abschnitte und seichten Biegungen, und du weißt, dass sich diese Abschnitte abwechseln. Sobald du voller Begeisterung in die Rutsche hineingesprungen bist, verlierst du den Überblick. Du erfährst jede einzelne Stelle mit allen Sinnen, du wirst durchgeschüttelt, dein Körper schwankt von einer Seite zur anderen und du weißt nicht, was als Nächstes auf dich zukommt. Oder? Der innere Beobachter nun ist die Fähigkeit, dich selbst immer wieder während des Rutschens von der Plattform aus zu betrachten«, erklärte Mosaphir voller Begeisterung.
»Dein Beispiel hilft mir, es besser zu verstehen. Es scheint trotzdem so, als habe ich einen langen Weg vor mir.« Vincent seufzte.
Mosaphir kam richtig in Fahrt: »Ihr Menschen könnt eure Heimat in der universellen Quelle, diesem unendlichen Raum, von dem ich gerade sprach, nicht mehr wahrnehmen, nicht mehr spüren, nicht mehr erfahren.«
»Warte, warte, Mosaphir, nicht so schnell. Du meinst, ich bin hier auf der Erde nicht zu Hause?« Vincent schaute sie fragend an.
»Nein, hier ist nicht eure Herzensheimat. Eure Seele hat sich hier in die Materie, in diese Welt ›hineingebaut‹ und möchte unterschiedliche Erfahrungen erleben. Aber die Heimat eurer Seele ist an einem anderen Ort zu finden. So viele Menschen sind auf der Suche, da sie von einer tiefen Sehnsucht nach sich selbst angetrieben werden. Vincent, auch du kennst diese Sehnsucht, auch du warst ein Suchender. Ich bin hier, um dich selbst wieder an deine Suche zu erinnern, die du durch deine für dich traurige Erfahrung mit deiner Frau leider beendet hast. Ihr sucht nach euch selbst und richtet die Augen nach außen, hinaus in die Welt. Doch den Weg zu dem, was ihr ersehnt, findet ihr, indem ihr den Blick in euch selbst lenkt. Fangt an und taucht in euch ein, findet die Quelle eures Seins in euch. Hier in euren Herzen liegt das Tor, durch das ihr gehen könnt, um in eure Heimat zu gelangen.«
»Ah, deshalb sagst du Herzensheimat? Weil meine Heimat in meinem Herzen ist? Das mag ja sein, aber Mosaphir, schau, mein Körper steht auf der Erde. Ich bin auf dieser Welt, mein Körper ist auf dieser Welt. Warum soll ich dann nicht hier zu Hause sein?«, fragte Vincent und blickte Mosaphir dabei direkt in die Augen.
»Ihr Menschen glaubt, ihr seid dieser Körper. Ihr nehmt euch über diesen Körper wahr. Wie wäre die Vorstellung, dass euer Körper ein Gefäß ist, durch das sich euer Geist oder eure Seele hier auf der Erde erleben darf? Diese Wirklichkeit würde einiges an eurem Weltbild ändern, oder?« Mosaphir stupste Vincent mit dem Finger auf die Nase.
»Hm ja, das würde einiges ändern.« Vincent wurde still, denn er brauchte Zeit, um über das Gesagte nachzudenken.

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