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Charlotte Rørth: Die Frau, die nicht an Gott glaubte und Jesus traf

Alles über: Die Frau, die nicht an Gott glaubte und Jesus traf

HÖR ZU

Es beginnt am 28. November 2008, einem Mittwochabend, beim Stadtfest in Baeza im Süden Spaniens. Auf dem schräg abfallenden Platz, dort wo die Calle de Rojo in die Calle Doctor Ojeda übergeht, bieten Frauen gebrannte Mandeln und andere Leckereien feil. Ein kleines Karussell dreht sich fortwährend im Kreis. Die Kinder lachen, in ihren Gesichtern spiegeln sich alle Farben der Lichter. Rot, grün, gelb, blau. Männer stehen an Fässern und bekommen ihre kleinen Gläser Bier, copitas, sie essen Oliven dazu und schwadronieren gestikulierend, als könnten sie alle Probleme der Welt lösen. Banner flattern, und unaufdringliche Musik liegt in der Luft. Übermorgen ist der Namenstag des Stadtheiligen, Sankt Andrés. Nach ihm ist auch die Kirche benannt, die Iglesia de San Andrés.

In dem überfüllten Kirchenraum mit seinem kreideweißen Deckengewölbe und einer Altarwand, die im Glanz goldener Statuen und mit Maria und dem Jesuskind auf dem Arm erstrahlt, ist die Messe zu Ehren des Heiligen soeben zu Ende. Die Kirchgänger erheben sich von den Holzbänken und grüßen nach allen Seiten, Nachbarn, Vettern, Cousinen und Brüder. Plötzlich drängt sich eine rundliche, schwarz gekleidete Frau in flachen Schuhen und mit einem Tuch in der linken Hand durch die Menge, bis sie direkt vor mir steht. Sie ist so klein, weniger als ein Meter fünfzig, dass sie zu mir aufsehen muss. »Du bist auserwählt«, sagt sie, und ganz außer Atem zieht sie meine Hände an sich und presst sie fest gegen ihre Brust.

Überzeugt, dass sie mich mit jemandem verwechselt, versuche ich höflich, mich frei zu machen, aber sie verstärkt den Griff um meine Handgelenke und starrt mich entschlossen und wiedererkennend an. Nickt. »Wie heißt du, woher kommst du, was machst du?« Sie sagt, gut, gut, bien bien, und als sie das Wort Journalistin hört, perodista, faltet sie ihre Hände um meine. »Dann bist du deshalb auserwählt«, sagt sie. »Du musst die wichtigste Geschichte deiner Zeit erzählen. Also hör zu, escuchame«, fährt sie fort, und ihr Tuch wird warm zwischen unseren Händen. »Die Erde wird untergehen, und nur diejenigen, die glauben, werden gerettet werden. Das musst du allen berichten.«

Sie holt Luft. Für einige wenige Sekunden herrscht Schweigen zwischen uns. Ich bin beruflich auf einer Pressereise unterwegs. Wie schon früher hat mich das Staatliche Spanische Fremdenverkehrsamt eingeladen. Es veranstaltet Reisen für Journalisten und Fotografen mit Vorträgen und geführte Touren, damit wir in unseren Heimatländern Artikel über bisher unbekannte Orte und Sehenswürdigkeiten in Spanien bringen. Diese Reise nach Jaén, Úbeda und Baeza in den Bergen Andalusiens mit Fokus auf Olivenöl und Kultur ist sehr kurzfristig zustande gekommen. Nach vielen Absagen fehlte ihnen jemand, der Spanisch sprach. Ich beherrsche die Sprache einigermaßen, denn schon seit meinem Abitur zog mich ein undefinierbares Gefühl der Verbundenheit in dieses Land.

Jetzt stehe ich hier, eine fremde Frau hat ihre Hände um meine gelegt, und noch ahne ich nicht, dass ich am Beginn eines Lebensabschnitts stehe, in dem ich möglicherweise meinen Verstand verlieren werde, meinen Mann, meinen Job, meine Freunde, mich selbst. An diesem Tag beginnt das, was nicht zu Ende geht, und wovon dieses Buch handelt.

Die Frau, die nicht an Gott glaubte und Jesus traf

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