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Du schläfst tief und fest. Ein Geräusch weckt dich. Jemand ist in deinem Haus. Du kannst nirgendwohin. Was würdest du tun?


Leseprobe »Das Ferienhaus«

Funken in der Dunkelheit. Sie sind das Letzte, an das Michael sich erinnert. Das blendende Glitzern kleiner Scherben aus Windschutzscheibenglas, die auf ihn zufliegen und ihn ins Gesicht stechen.
Davor ein Gefühl der Schwerelosigkeit. Als wäre er ein Astronaut, der durchs Weltall taumelt. Als wäre er weit weg – woanders –, aber nicht hier. In dieser Wirklichkeit.
Dann das Reißen und das Einschneiden des Sicherheitsgurts. Das wilde, schmerzhafte Ziehen.
Michael spürt, wie er sich vorwärts in den Airbag schraubt – sein Inneres beschleunigt noch immer –, wie der Gurt sich vergeblich bemüht, ihn zurück nach hinten zu ziehen. Zurück aus diesem Augenblick. Zurück in die Welt, von der Michael nun mit Sicherheit weiß, dass er sie verlässt. Zurück an einen Ort, an dem keiner so schnell fährt oder so unvermittelt stoppt, ohne dass alles andere ebenfalls stoppt.


1


Autofahren macht mir Angst. Ich werde nervös. Unruhig. Kribbelig vor Schuldgefühlen.
So ist es nicht immer gewesen. Ich kann mich an eine Zeit erinnern, in der ich beim Fahren sorglos Rockklassiker aus dem Autoradio mitgesungen, Rachels Hand gehalten oder als Papas Taxiservice die Kinder in glücklichem Chaos von Indoor-Spielplätzen zu Geburtstagspartys gefahren habe, später dann zum örtlichen Kino oder in die Disco.
Aber die Dinge ändern sich, und heute fühlte unser Volvo sich an wie ein Käfig, angefüllt mit meinen schlimmsten Gedanken und Ängsten. Gedanken an Michael. An Rachel und Holly. An das, was uns in London passiert war, und an das, was vor uns lag.
Die Scheibenwischer sausten im Nieselregen von einer Seite auf die andere. Schottland war urwüchsig und verschwommen. Die einzigen Geräusche waren das Surren des Motors und das Zischen der Reifen auf dem nassen Asphalt. Die Stille kroch aus den Belüftungsschlitzen wie Giftgas.
Ich packte das Lenkrad fester und warf im Rückspiegel einen Blick auf Holly – meine dreizehnjährige Tochter. Eine glühend heiße Nadel durchstach mein Herz. Vier Tage war der Überfall nun her, und Holly sah immer noch aus, als wäre ihr eine Handgranate im Gesicht explodiert.
Die Nase war geschwollen und verfärbt, die Nasenwurzel ein einziger Bluterguss unter den weißen Pflastern, die kreuz- weise darüberklebten, um die Nasenlöcher gab es Ränder aus getrocknetem Blut. Die geschwollene Haut unter den Augen war von einem tiefen Dunkelrot, das an den Seiten in ein gelbliches Stachelbeergrün überging.
Holly hielt meinem Blick mit leblosen Augen stand – vermutlich versuchte sie mich zu beruhigen –, und wirklich, etwas in mir zerriss und löste sich.
Meine Tochter geht zweimal die Woche zum Turnen. Samstagmorgens spielt sie Hockey. Wie sie über ein Kunstrasenfeld sprintet, erinnert sie an eine Kriegerprinzessin mit dem festen Entschluss, ihren Erzfeind zu skalpieren. Ich habe sie immer für furchtlos gehalten, aber jetzt saß sie da, starrte zu mir zurück und versuchte stark zu wirken, wo sie doch ganz offensichtlich verletzt und aufgewühlt war.
Meine Kehle brannte. Es schmerzte mich, Holly so zu sehen, aber am schlimmsten war, dass sie versuchte, ein tapferes Lächeln aufzusetzen, und dann sofort vor Schmerzen zusammenzuckte.
Ich musste an die Ereignisse in der Gasse zurückdenken.
Hollys gebrochener Schrei. Der Mann im Hoodie, der zuschlug. Holly, die rückwärtsfiel, während ich wusste, dass ich nicht rechtzeitig bei ihr sein könnte.
Meine Lunge verkrampfte sich. Meine Augen fühlten sich heiß an, und ich rieb darüber. Meine Hände ballten sich um das Lenkrad zu Fäusten. Bei allem, was ich über Vaterschaft weiß (nicht viel) und nicht weiß (eine ganze Menge), kann ich eins mit Sicherheit sagen: Nichts ist schlimmer, als mitanzusehen, wie das eigene Kind in Gefahr gerät. Ich konnte nicht wissen, ob Holly das Trauma jemals ganz würde überwinden können, aber ich wusste bereits jetzt, dass ich selbst es nie mehr vergessen würde.
Neben mir saß Rachel und starrte abwesend nach vorn. Sie musste meinen Blick wohl auf sich ruhen gespürt haben, denn sie wandte sich mit einem vage angedeuteten Lächeln zu mir um.
Meine Frau ist schön. Wird es immer sein. Allerdings hatte sie im Lauf der letzten acht Monate zu viel an Gewicht verloren. Hier und jetzt, im trostlosen Licht des frühen Nachmittags, wirkte sie blass und ausgelaugt, ihr normalerweise üppiges braunes Haar hing schlaff und ungekämmt herab. Ich hätte mir selbst etwas vormachen und mir sagen können, dass das wegen des frühen Aufbruchs um sechs Uhr so war oder aufgrund der mehrstündigen Fahrt am Vortag, aber ich wusste, dass es um wesentlich mehr ging.
»Hast du was gesagt?«, fragte sie mich.
»Nein. Ich seh dich nur an.«
In der Vergangenheit hätte Rachel vielleicht mitgespielt, zurückgeflirtet, doch jetzt unterstrich ihr brüchiges Lächeln nur, wie schmal und hager ihr Gesicht geworden war. »Du hast dich schon immer leicht ablenken lassen.«
»Ist doch schön, wenn das, wovon ich mich ablenken lasse, das Ablenkenlassen auch wert ist.«
»Tom.« Sie schüttelte den Kopf und seufzte. »Mach das nicht, okay?«
»Zu viel?«
Sie wies mit dem Kinn auf die Welt außerhalb der Windschutzscheibe. »Ich mag dieses Wetter einfach nicht besonders.«
»Anfang Juni in den Highlands. Ich habe trotzdem meine Sonnencreme eingepackt.«
Okay, ich bemühte mich also zu sehr, und wir beide wussten es. Aber ich musste es einfach tun. So wie sich die Dinge zwischen uns in letzter Zeit entwickelt hatten, war das allemal besser, als es gar nicht mehr zu versuchen.
»Soll ich ein Stück fahren?«, fragte Rachel. »Bist du müde?«
Rachel weiß, dass ich nicht gern fahre. Und ich weiß, dass es ihr nicht anders geht. Es bedeutete mir also viel, dass sie es mir anbot, auch wenn ich ihre Erleichterung bemerkte, als ich den Kopf schüttelte.
Doch ja, ich war müde. Müde, mir immer wieder Fragen zu stellen, die ich nicht beantworten konnte. Müde, mich zum hundertsten Mal zu fragen, was Rachel wohl gerade dachte und ob es ein Fehler gewesen war, die ganze Strecke hierherzukommen.
»Sollen wir eine Pause machen?« Meine Frau war früher einmal die Entschlossene von uns beiden gewesen. Oder – um es ein bisschen schnoddriger auszudrücken – sie hatte in unserer Ehe die Hosen angehabt. Das war für mich immer okay gewesen. Inzwischen konnte ich allerdings nicht anders, als zu bemerken, wie viele ihrer Äußerungen in Frageform daherkamen oder wie oft sie die Entscheidung mir oder Holly überließ. »Holly, was denkst du?«
»Mum, mir geht’s gut. Wirklich.«
»Bist du sicher? Ich kann dir noch mehr Codein geben.«
»Vielleicht wenn wir ankommen. Im Moment geht es noch.«
Rachel war sichtlich nicht überzeugt und blickte in den wirbelnden Nieselregen hinaus. Sie legte sich einen Finger an den Hals und fuhr sich in kreisförmigen Bewegungen über die Haut.
Noch ein Flashback zu den Geschehnissen in der Gasse.
Der Mann mit der Kapuze zerrte brutal an Rachels Haar. Die Messerklinge an ihrem Hals. Und dieser hilflose Blick, den Rachel mir zugeworfen hatte. Flehend. Verängstigt. Orientierungslos.
Der Schweiß brach mir aus und lief mir heiß über Schultern und Rücken. Meine Hände wären beinahe vom Lenkrad abgerutscht, und nicht zum ersten Mal verspürte ich den Wunsch, ich hätte die Fähigkeit, verstörende Bilder aus meinem Geist zu verbannen.
Ein Straßenschild wischte an uns vorüber. Unsere Ausfahrt zu der namenlosen Straße, die zum Loch Lurgainn führte, würde bald kommen. Ich setzte den Blinker und bog ab. Das Navi sagte eine Fahrtzeit von neununddreißig Minuten bis zu unserem Ziel an der schottischen Westküste voraus.
Ich lockerte die Schultern und ließ den Nacken knacken. Normalerweise hasst Rachel es, wenn ich das tue, aber heute sagte sie nichts dazu, und das Schweigen zwischen uns drückte von innen gegen die Autoscheiben wie ein sich ausdehnendes Gas. Ich fühlte einen Schmerz, als ich darüber nachdachte, sie mit den Worten zu trösten, die sie hören musste. Aber es war schon lange her, dass ich gewusst hatte, wie diese Worte lauteten. Wochenlang hatte Rachel mir gesagt, dass wir reden
müssten, hatte mich gedrängt, mir die Zeit zu nehmen. Ich war ihr ausgewichen, denn ich fühlte mich zu schwach und hatte zu viel Angst, mir anzuhören, was sie zu sagen hatte. Und jetzt war es vielleicht zu spät.
Hinter uns zog Holly ihren Sicherheitsgurt etwas weiter heraus und lehnte sich seitwärts, um den Kopf an Buster, unseren dunklen Labrador, zu schmiegen. Buster ist groß und lieb, mit einem dicken, dichten Fell und braunen Kulleraugen, denen man unmöglich widerstehen kann. Wir haben ihn aus dem Tierheim geholt, als die Kinder noch klein waren, und manchmal benimmt er sich immer noch so, als hätte er Angst, dass wir ihn dorthin zurückschicken. Vielleicht ist er deshalb der loyalste Hund, den ich je kennengelernt habe.
Ein weißer Kastenwagen rauschte an uns vorbei, und Spritzwasser landete auf unserer Windschutzscheibe. In der Ferne ragten zackige Gipfel in den dunklen Himmel, als gehörten sie zu irgendeiner apokalyptischen Landschaft. Wir fuhren an braunen und grünen Feldern vorbei, auf denen Schafe standen, an breiten bewaldeten Streifen und an küstennahen Lochs.
Ich wollte gerade die Hand nach dem Radio ausstrecken – mit irgendetwas musste ich die Stille überbrücken –, als die Lautsprecher summten und knisterten und mein Handy über das Freihandsystem zu zirpen begann. Eine unbekannte Nummer wurde angezeigt.
Ich drückte auf einen Knopf am Lenkrad und wartete.
»Mr. Sullivan? Constable Baker. Ich wollte Sie bezüglich ein paar neuer Entwicklungen auf dem Laufenden halten.«
Mein Herz machte einen Satz, und ich tauschte einen besorgten Blick mit Rachel. Sollten wir das wirklich über Lautsprecher besprechen?
»Ist schon okay, Dad.« Holly setzte sich auf und lehnte sich zwischen unseren Sitzen nach vorn. »Ich sage euch doch schon die ganze Zeit, dass es mir gut geht.«
Rachel zuckte mit den Schultern und neigte den Kopf, als wüsste sie auch nicht, was das Beste wäre, sei aber der Meinung, dass Holly mithören solle.
Ich wartete. Der Volvo schnurrte weiter voran. Schließlich räusperte ich mich. »Haben Sie den Mann gefunden, der uns überfallen hat?«
»Noch nicht. Wir hatten aber Glück mit den Überwachungskameras. Wir haben ein paar Aufnahmen eines Mannes, auf den die Beschreibung passt, die Sie uns gegeben haben, und der vom Tatort weggelaufen ist. Er hatte etwas bei sich, was Ihre Aktentasche gewesen sein könnte.«
Mein Telefon vibrierte, und das Gespräch wurde kurz unterbrochen. Eine Nachricht war angekommen, aber ich las sie nicht sofort.
»Haben Sie ihn gefunden?«
»Seine Spur verliert sich in der Nähe des Leicester Square.«
Ein Stich der Enttäuschung. Ich ließ diese Information sacken. Es kam mir komisch vor, mir den Mann im Hoodie in so einer belebten Gegend vorzustellen. In meiner Vorstellung war er eine Gestalt fürs Zwielicht.
»Wie ist das denn möglich?«
»Das läuft nicht wie im Fernsehen, Mr. Sullivan. Die Aufzeichnungen sind nicht lückenlos. Zu einigen der Kameras haben wir keinen Zugang.«
Rachel seufzte, schüttelte den Kopf und zog eine Augenbraue hoch, schien zu fragen: Was hast du erwartet?
Um der Wahrheit die Ehre zu geben, hatte ich nicht viel erwartet. Vielleicht noch nicht einmal diesen Anruf. Unsere ganze Familie hatte mit der Polizei nicht die allerbesten Erfahrungen gemacht – daher rührte auch Rachels Haltung. Und mir war klar, dass die Londoner Polizei viel zu tun hatte. Ich wusste, dass es jeden Tag unzählige neue Vorfälle gab, um die sie sich kümmern mussten.
Ein Gedanke, der mir zuvor schon gekommen war, quälte mich nun erneut. Vielleicht sollte ich meinen Chef Lionel darum bitten, ein paar seiner Kontakte bei der Polizei zu nutzen. Doch wie standen die Chancen, dass irgendwer den Täter fassen würde? Vielleicht wäre es besser, mit allem so schnell wie möglich abzuschließen.
Ich dachte noch immer darüber nach, als Baker erneut das Wort ergriff.
»Da wäre noch etwas, worüber wir hätten sprechen sollen, Mr. Sullivan. Sie haben mir gesagt, dass Sie den Angreifer nicht erkannt haben.«
Das hatte ich nicht gesagt. Ich hatte ihm berichtet, dass ich den Mann wegen seiner Kapuze und wegen der dunklen Strumpfhose, die er sich übers Gesicht gezogen hatte, nicht richtig hatte erkennen können.
»Na ja, ich habe vergessen, Sie zu fragen, ob Sie irgendwen kennen, der Ihnen oder Ihrer Familie eventuell Schaden zufügen möchte.«
»Sie glauben, der Überfall ist nicht zufällig geschehen?«
»Haben Sie irgendwelche Feinde, Mr. Sullivan? Oder vielleicht Ihre Frau?«
Das war verrückt. »Nein. Keine Feinde. Mir fällt niemand ein, der mir oder meiner Familie Schaden zufügen will. Ich bin nur ein einfacher Anwalt, meine Frau ist Ärztin.«
»Verzeihen Sie, Mr. Sullivan. Aber immerhin war da die Geschichte mit Ihrem Sohn.«
Unvermittelt schien ein entgegenkommender Lastwagen auf uns zuzurasen.
Ich scherte auf den Straßenrand aus und stieg auf die Bremse. Mein Herz pochte wie wild in meiner Kehle.
»Soweit ich weiß, ist er bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen«, bohrte Baker nach.
Der Lastwagen rumpelte vorbei. Ich sah ihm in meinem Seitenspiegel nach, wie er davonwackelte. Unser Volvo stand jetzt, und ich machte keine Anstalten weiterzufahren. Erneut herrschte Schweigen.
Rachel drückte kurz meine Hand und griff dann über mich hinweg, um die Warnblinkanlage anzuschalten. Die Lichter blitzten auf und klickten. Dann lächelte sie schwach und beugte sich zum Lautsprecher vor. Als sie dann etwas sagte, bemerkte ich, wie angespannt sie klang.
»Warum ist das wichtig?«, fragte sie.
»Es gab noch ein weiteres Opfer, Mrs. Sullivan. Eine junge Frau.«
Wenn Holly nicht im Auto gesessen hätte, wäre ich vielleicht nach vorn zusammengesunken und hätte den Kopf gegen das Lenkrad geschlagen.
Vor acht Monaten war unser Sohn Michael umgekommen, als er mit meinem Audi durch ein Waldstück ein paar Meilen von unserem Haus entfernt gefahren war. Er war erst sechzehn Jahre alt. Noch nicht alt genug für den Führerschein. Er ist einfach so mit meinem Auto los. Es war eine verregnete Nacht. Die Straße war glitschig. Michael ist zu schnell gefahren, an einer scharfen Kurve ins Schleudern geraten und gegen einen Baum geprallt.
Die Autopsie hat ergeben, dass er sofort tot war. Das Gleiche galt für Fiona Connor, seine Freundin. Sie waren seit etwas über einem Jahr zusammen.
Mehrmals am Tag gab es noch dunkle Momente, in denen mich der Schrecken dessen, was Michael getan hatte, wie eine schwarze Welle überspülte. Es war schon schlimm genug, dass er unerlaubt mein Auto genommen hatte. Dass er ohne Führerschein gefahren war. Dass er fahrlässig mit seinem eigenen Leben und dem der anderen Autofahrer umgegangen war, die in jener Nacht unterwegs waren.
Aber Fiona mit in den Tod zu reißen. Das Leben eines fünfzehnjährigen Mädchens auszulöschen, die eine liebevolle Familie und ihre ganze Zukunft noch vor sich hatte, war unverzeihlich.
In diesem Punkt waren Rachel und ich nicht einer Meinung. Es war die schartige Bruchlinie, die sich in unserer Ehe gebildet hatte. Wann auch immer ich jetzt an Michael dachte, fiel es mir schwer, meine Erinnerung nicht von einem überwältigenden Schamgefühl eintrüben zu lassen.
Rachel hingegen war davon überzeugt, dass Michael einfach nur Pech gehabt hatte, als dieser eine Moment jugendlicher Rebellion so eine verheerende Konsequenz hatte. Das war eine Haltung, die meiner Meinung nach über mütterliche Loyalität hinausging – ein Akt mutwilliger Selbsttäuschung. »Mr. und Mrs. Sullivan?«, brachte Baker sich in Erinnerung.
Irgendwie fand ich meine Sprache wieder. »Das hat überhaupt nichts miteinander zu tun. Fionas Familie weiß, wie leid uns das alles tut.«
Diesmal musste ich an Fionas Begräbnisgottesdienst zurückdenken. Ich erinnerte mich, wie Fionas Vater sich auf seiner Bank vorn in der Kirche umgedreht hatte, als wir versuchten, uns hinten hineinzuschleichen. Wie er mit rotem Kopf und vollkommen außer sich aufgestanden war, getobt hatte und den Mittelgang heruntergestürmt war, um uns zu verjagen. Rachel und ich waren zu unserem Auto zurückgerannt und hatten uns eingeschlossen. Meine Frau hatte noch Stunden nachher gezittert.
Machte ihn das zu unserem Feind? Das konnte ich mir nicht vorstellen.
»Tut mir leid, dass ich es angesprochen habe«, entschuldigte sich Baker. »Ich hoffe, Sie verstehen mich. Ich muss einfach …«
»Gibt es sonst noch etwas?«
»Wir haben das Messer ins forensische Labor geschickt. Mit ein bisschen Glück erbringt uns das einen Hinweis.«
Unwahrscheinlich. Unser Angreifer trug Handschuhe. Und die Strumpfhose über seinem Kopf hatte sicherlich verhindert, dass er irgendwelche Haare verloren hatte.
Ich hatte den Eindruck, ich sollte Baker noch ein paar Fragen stellen, aber ich kam einfach auf keine. Und ich wollte Rachel und Holly nicht noch mehr Kummer bereiten.
Also dankte ich ihm und legte auf.
Rachel wandte sich ab und blickte aus ihrem Seitenfenster, zu spät, um ihre Tränen zu verbergen. Holly legte sich wieder zu Buster und schloss ihn fest in die Arme.
Der Warnblinker blinkte. Die Scheibenwischer wischten.
Ganz benommen nahm ich mein Telefon in die Hand und sah auf das Display. Die Nachricht stammte von Lionel.
Lass dir dein Ego nicht dabei im Weg stehen, die Sache mit Rachel wieder in Ordnung zu bringen, Tom. Hör dir genau an, was sie zu sagen hat. Eure Ehe ist zu wichtig. Lass dir das von jemandem sagen, der weiß, wovon er spricht.

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Als Tom Sullivan nachts um zwei ein Fenster zerbrechen hört, werden seine schlimmsten Albträume Wirklichkeit: Jemand ist ins Haus eingedrungen und trachtet ihm und seiner Familie nach dem Leben. Sein Feriendomizil mitten im schottischen Nirgendwo, das eigentlich für ein paar Wochen zu einem beschaulichen Urlaubsort werden sollte, bietet keinen Ausweg. Eine atemberaubende Verfolgungsjagd beginnt, während der sich Tom mehr als einmal fragt, ob er denen, die ihm am nächsten sind, wirklich vertrauen kann. Seine Ehefrau Rachel beispielsweise scheint irgendetwas vor ihm zu verbergen ...

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C.M. Ewan
© Phil Kneen

Der Autor

C. M. Ewan wurde 1976 in Taunton geboren und hat an der Universität von Nottingham Amerikanische und Kanadische Literatur und später Jura studiert. Nach elf Jahren auf der Isle of Man ist er mit seiner Frau, seiner Tochter und seinem Hund nach Somerset zurückgekehrt, wo er sich ganz dem Schreiben widmet. »Das Ferienhaus« ist sein erstes Buch im Blanvalet Verlag.