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»Bodyguard« von Chris Bradford

Leseprobe zu Band 1: »Bodyguard – Die Geisel« (Ab 12)

von Chris Bradford

Der Fahrer trat das Gaspedal hart durch. Er packte das Lenkrad mit solcher Kraft, dass seine Handknöchel weiß hervortraten. Der gewaltige Motor des Humvee brüllte auf. Das gepanzerte Fahrzeug beschleunigte und schoss über den zerbombten Asphalt.

Die beiden Insassen im Fond starrten schweigend auf die von Einschlagkratern übersäte Autobahn hinaus, die sich wie die zerfetzte Haut einer toten Schlange bis zum Horizont erstreckte. An den Seitenfenstern flog die karge irakische Landschaft vorbei – höllische Bilder eines vom Krieg zerrissenen Landes. Ausgetrocknete Felder, übersät mit Müll, verkohlte Skelette ausgebrannter Fahrzeuge, Häuser halb in Ruinen, die Mauern von unzähligen Einschusslöchern durchsiebt … und dazwischen immer wieder die gehetzten, gequälten Gesichter irakischer Kinder, die die Abfall- und Trümmerhaufen durchstöberten.

Der weibliche Passagier, eine junge Botschaftsassistentin mit gepflegten blonden Haaren, blickte mit weit aufgerissenen Augen auf die trostlose Landschaft. Ihr sonst so frisches, unbekümmertes Gesicht war starr vor Entsetzen. Mit zitternder Hand wischte sie sich eine Träne von der Wange. Der Mann neben ihr, ein groß gewachsener Hispanoamerikaner mit ausgeprägten Wangenknochen und dunkelbraunen, scharf blickenden Augen, hatte sich besser im Griff. Doch auch seine Hände hatten sich in die Armstützen verkrampft und verrieten seine innere Anspannung.

Nur der Bodyguard saß äußerlich unbewegt auf dem Vordersitz, angeschnallt, das MP5-Maschinengewehr quer über dem Schoß. Es war bei Weitem nicht seine erste Fahrt auf dieser Straße, und bisher hatte er alle heil überstanden. Aber das machte ihm diese Fahrt nicht leichter. Die Strecke war nicht einmal zwölf Kilometer lang, verlief aber in einem weit geschwungenen Bogen und war die einzige große Verkehrsader, die den internationalen Flughafen von Bagdad mit der Grünen Zone verband – dem rund zehn Quadratkilometer großen, festungsähnlich gesicherten Sperrbezirk mitten im Herzen von Bagdad, in dem sich die wichtigsten Militär- und Regierungseinrichtungen befanden. Das machte die sogenannte Route Irish zum gefährlichsten Autobahnabschnitt der Welt – ein monumentaler Schießstand für Terroristen und Aufständische. Sich auf diese Straße zu wagen, war fast selbstmörderisch.

Und heute ist der Einsatz noch höher, dachte der Bodyguard und warf einen kurzen Blick über die Schulter auf den neu ernannten amerikanischen Botschafter im Irak. Gewöhnlich setzten die Amerikaner für den Transport hochrangiger Amtsträger Hubschrauber ein, aber heute herrschte heftiger, böiger Wind, und ein Sandsturm war angekündigt worden, sodass alle Fluggeräte auf dem Boden hatten bleiben müssen. Unablässig ließ der Leibwächter den Blick durch die kugelsicheren Scheiben über das Terrain streifen, das sich ringsum erstreckte. Vor und hinter dem Fahrzeug donnerten noch drei weitere Humvees über den Asphalt; zusammen bildeten sie eine eindrucksvolle Militäreskorte. Sämtliche Fahrzeuge strotzten vor Waffen: fest montierte schwere M2-Maschinengewehre und MK19-Maschinengranatwerfer. Ein Humvee raste vor dem Konvoi her und trieb sämtliche zivilen Fahrzeuge zur Seite, wenn sie nicht schnell genug freiwillig Platz machten. Eine Unterführung kam in Sicht. Der Bodyguard spannte sich. Das war die ideale Stelle für einen Überfall. Am Abend zuvor hatte natürlich ein Spezialtrupp die Brücke genauestens auf IEDs untersucht, wie die »Improvised Explosive Devices« oder »unkonventionellen Sprengfallen« im Militärjargon kurz genannt wurden. Aber das hieß noch lange nicht, dass sämtliche Sprengfallen entdeckt worden waren. Instinktiv tastete er nach dem Schlüsselanhänger in seiner Tasche. Er trug ihn immer und überall bei sich. Der Anhänger zeigte das Foto eines achtjährigen Jungen, der fröhlich in die Kamera grinste – sein Sohn. Der Bodyguard strich mit dem Finger über den Anhänger und schwor sich – wie immer in gefährlichen Situationen –, dass er diese Fahrt überleben würde, und sei es nur für seinen Sohn.

Die Brückenpfeiler waren bedeckt mit Graffiti, aber der Bodyguard bemerkte sie kaum. Er konzentrierte sich voll und ganz darauf, nach »Spähern« Ausschau zu halten, während die Kolonne unter der Brücke durchraste – vorgeschobenen Beobachtern, die sofort zum Handy griffen, sobald der Konvoi an ihnen vorbeibrauste, um ihn den irgendwo weiter vorn an der Straße auf der Lauer liegenden Rebellen zu melden. Überhaupt konnte man mit einem Anruf vom Mobiltelefon alles Mögliche bewirken: ein mit Sprengstoff vollgestopftes geparktes Auto in die Luft jagen, eine Sprengfalle am Straßenrand auslösen, ein Drive-by-Shooting aus einem vorbeifahrenden Fahrzeug oder sogar einen Beschuss mit Mörsern oder Panzerfäusten veranlassen. Das alles und noch mehr hatte der Bodyguard schon selbst erlebt, und die meisten Angriffe hatten tragisch geendet.

Als sie auf der anderen Seite aus der Unterführung herauskamen, hörte er den Fahrer erleichtert aufseufzen. Der Humvee beschleunigte erneut und raste weiter auf die Grüne Zone zu. Der Bodyguard konzentrierte sich wieder auf die Beobachtung der Umgebung – er suchte nach allen Anzeichen von Gefahren im Verkehr, an den Baumstümpfen auf dem Mittelstreifen, in den Gebäuden an der Südseite der Straße. Und auf der Überführung und den Auffahrrampen des Autobahnknotens, dem sie sich nun näherten.

»Sieht nicht gut aus«, knurrte der Fahrer, als der Konvoi nur noch im Schneckentempo vorankam. Weiter vorne hatte sich ein Stau gebildet; der Verkehr kam zum Stillstand. Aus dem HF-Funkgerät kam plötzlich eine Stimme. »Tango eins an Tango drei. Unfallbedingter Stau voraus.«

Der Teamleader, der im hinteren Fahrzeug saß, antwortete sofort. »Tango eins, hier ist Tango drei. Durchstoßen. Auf den Mittelstreifen ausweichen.«

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