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Bobby Henderson »Das Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters«

SPECIAL zu Bobby Henderson »Das Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters«

Glauben kann man an alles

Rezension von Karl Hafner

Bobby Hendersons "Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters" weist den Weg zu Biervulkan und Stripper-Fabrik

Wer mit seinem Glauben unzufrieden ist oder gar ernsthaft - kann man das? - in Erwägung zieht, den Kreationisten zu folgen, der sollte vorher noch einmal gut überlegen und Bobby Hendersons "Das Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters" lesen. Vielleicht ist ja das etwas für ihn: der Pastafarianismus, der Glauben an das Fliegende Spaghettimonster, kurz FSM. Er hat alles, was andere Glaubensrichtungen auch haben: krude Behauptungen, seltsame Beweisführungen, Regeln und Riten. Er bietet Stabilität, Sicherheit und Lebenshilfe, wie viele andere Religionen auch. Einen entscheidenden Vorteil hat die Religion: Man sollte dafür Pirat sein – wenigstens im Geiste, besser noch auch in der Mode. Liturgisches Gewand, wenn man so will, sind im Pastafarianismus, wie diese Glaubensrichtung heißt, das Kopftuch und die Augenklappe. Dem Hohepriester Henderson ist dabei sehr wohl bewusst, dass eine Augenklappe das räumliche Sehen erschwert. Also aufpassen, so sein Rat. Doch das Gute überwiegt. Wenn man nicht weiter weiß in seinem Leben, dann muss man nur kurz innehalten und überlegen: Was würde ein Pirat tun? Das ist das wichtigste Prinzip, nach dem es zu leben gilt: abgekürzt WWEPT. Die Antworten, die aus jeder Lebenskrise führen sollten, sind nicht allzu schwer. Unter anderem würde ein Pirat natürlich erst einmal Grog trinken, dann sich einen Papagei zulegen oder eine Räuberbande suchen und im Zweifelsfall, falls gar nichts mehr hilft, plündern. Und am Wichtigsten: Ein Pirat findet sich mit dem "Ewigen Arrrgh!!!" ab.

Altes Pergament und neuer Unterricht
Der Glaube an das FSM ist natürlich eine Spaßreligion. In seinem Buch veräppelt Henderson jede bekanntere Glaubensrichtung und stellt ihnen ein hanebüchenes eigenes Werk gegenüber. Man könne diese Religion ja einfach mal ausprobieren. Bei Nichtgefallen würde man höchstwahrscheinlich von der alten Religion wieder aufgenommen. "Hat nicht jede Religion ein Buch? Die Juden haben die Bibel (Das Alte Pergament) die Christen auch (Das neue Pergament), die Moslems haben den Kormoran, die Buddhisten das Bananarama, die Hindus den Hindukusch, die Sufis das Souffle, die Donaldisten ihre Sammlung Micky-Maus-Hefte." An allem wird herumgestichelt und gebohrt, doch der Hintergrund für Hendersons Evangelium ist weitaus ernster. Henderson, der an der Oregon State University seinen Abschluss in Physik gemacht hat, gründete seine Religion 2005 als Reaktion auf eine Entscheidung der Schulbehörden von Kansas, an einigen Schulen im Biologieunterricht (!) die fundamental-christlichen Anschauungen des Intelligent Design anstatt der Evolutionstheorie zu unterrichten. In der Politik gab man sich besonders heuchlerisch liberal. Senator McCain etwa meinte: "Studenten, die etwas über den Ursprung der Menschheit erfahren wollten, sollte der Zugang zu allen verfügbaren Ansichten offenstehen."

Gleiches Recht für alle Religionen
Die Antwort von Henderson kam prompt in Form eines offenen Briefes: Wenn dem so sei, dann sollten die Studenten bitteschön auch die Möglichkeit haben, seinen neu gegründeten Pastafarianismus als Unterrichtsfach zu wählen. Auch darin würde der Ursprung der Menschheit erklärt. Als Physiker und Wissenschaftler hat es ihm damals wohl den Magen umgedreht aufgrund der Tatsache, dass in einem naturwissenschaftlichen Fach anstelle von Beweisbarkeit und Empirie auf einmal wieder der bloße Glaube gelten sollte. Als zentralen eigenen Glaubensinhalt formulierte Henderson dagegen: Die Welt sei vom Fliegenden Spaghettimonster geschaffen worden. Das Spaghettimonster sei jedoch nicht nachweisbar. Alle Hinweise auf die Evolution, die es ja gäbe und seien sie noch so wissenschaftlich belegbar, habe das FSM ganz bewusst gestreut, nur um die Menschen zu verwirren. Spaghettimonster oder Kreationismus - die Plausibilität ist ähnlich gering, wenn man jenseits des Glaubens sein Hirn auch noch zum Nachdenken über den Selben verwenden mag. Das versucht der Autor mit seinem Evangelium zu beweisen - natürlich, indem er ähnlich dämliches Denken zu seinen eigenen Glaubensgrundsätzen verklärt. Das Buch ist in erster Linie eine Parodie.

Ohne Piraten wird die Welt zu heiß
Henderson selbst sagt, er habe gar keine Probleme mit Religion an sich, nur damit, wenn sich eine Religion als Wissenschaft ausgäbe. Und prompt sucht er in seinem Evangelium einen wissenschaftlichen Beweis nach dem anderen. Er stellt einen Zusammenhang nach dem anderen auf und leitet aus Korrelationen Begründungen ab, die so natürlich nie und nimmer sein können. Die Piratengeschichte in seinem Glauben diente ihm als eines der ersten Beispiele zur Verdeutlichung der Absurdität, jeglicher Korrelation auch eine Beweismacht zuzusprechen. Die globale Erwärmung sowie die Anzahl der schlimmen Stürme und Erdbeben hätten seit 1800 massiv zugenommen, zugleich sei jedoch die weltweite Population an Piraten stark geschrumpft. Also müsse die zunehmende Erderwärmung direkt damit zu tun haben, dass es weniger Piraten auf der Welt gäbe. Beweis erbracht. Ähnlich argumentiert er etwa zum Thema Medizin und behauptet mal schnell: Die mittelalterliche Medizin sei der heutigen überlegen. Damals habe man nämlich geglaubt, dass Krankheiten eine Strafe Gottes seien und von bösen Geistern verursacht würden. Also habe man gebetet oder Aderlass betrieben gegen diese bösen Geister. Heute wüsste man zwar, dass es mehrere Ursachen für Krankheiten gäbe, nicht nur böse Geister, die aber, wie alte Texte eindeutig belegen, damals der entscheidende Faktor gewesen wären. Dieser Faktor existiere heute nicht mehr. Warum? Weil das Beten und der Aderlass so erfolgreich waren, dass alle bösen Geister ein für allemal vertrieben sind. Ähnliches zum Thema Hexen: "Hexen beispielsweise existierten in solch großer Zahl und verursachten so beträchtlichen Schaden, dass man sie jagen und zu Zehntausenden verbrennen musste." Das kann man doch nachlesen in alten Schriften. Dass es heute keine Hexen mehr gibt, beweist laut Henderson, dass unsere Ahnen Erfolg hatten und damals das Richtige taten. Sie hätten alle Hexen erwischt, sonst gäbe es heute ja noch welche.

Fernseher wachsen nicht von selbst
Solche kruden Ursache-Wirkung-Argumentationen durchziehen das ganze Buch. Dazwischen finden sich "Briefe besorgter Bürger", die ähnlich durchschlagend für die Theorie des Intelligent Design und gegen die Evolutionstheorie argumentieren, etwa am Beispiel von Flachbild-Fernsehern, die sich ja, wie jeder denkende Mensch sofort einsehen wird, nicht aus einer DNA-Suppe entwickeln, sondern von Ingenieuren gebaut werden. Also könne die Evolutionstheorie nicht stimmen, ergo habe Gott den Menschen geschaffen so wie Ingenieure den Flachbild-Fernseher. Quod erat demonstrandum! Man muss an vielen Stellen schmunzeln, weil Henderson nie in einem vernünftigen Rahmen bleibt, immer maßlos übertreiben muss und man sich früher oder später dabei ertappt zu denken: Das ist so ein Quatsch! Daran könnte man doch gleich auch noch glauben. Eh schon egal. Zumal man im Glauben an das Fliegende Spaghettimonster Dinge tun darf, die in anderen Religionen als Sünde gelten. Henderson liefert zum Beispiel die Bauanleitung dafür, "wie man sich ein Ebenbild des Fliegenden Spaghettimonsters bastelt". Statt der Zehn Gebote gibt es "Die Acht Am Liebsten Wäre Mirs" mit so wichtigen Hinweisen wie: "Am Liebsten Wäre Mir, wenn ihr euch nicht wie frömmlerische, selbstgerechte Esel benehmen könntet, sobald ihr Meine Nudelige Göttlichkeit beschreibt". Sexualität? Natürlich, bitte mit Kondom und nur sadomasochistisch, wenn es der Partner auch will. Und am Ende dieses langen, dornenreichen Weges steht das Paradies. Dort speit ein ewiger Biervulkan neben einer Stripper-Fabrik. Warum sollte man daran nicht glauben? RAmen, wie die Pastafarianer sagen.
Karl Hafner
München, Juli 2007

"Erstmals liefert der Vollzeitprophet nun die komplette Bedienungsanleitung seines Pastafarianismus – von der Schöpfungsgeschichte bis zur Sprühschablone für Missionierungszwecke. Schräge Lektüre für Sinnsuchende!" Die Zeit

Das Evangelium des fliegenden Spaghettimonsters

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