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SPECIAL zu Andreas Roman »Schwarze Nacht«

»Ich mag es, ursprünglich zu werden«

Interview mit Andreas Roman

»Schwarze Nacht« ist der Auftakt einer ungewöhnlichen Horrortrilogie: Die Schwarze Trilogie handelt von unseren Urängsten, die uns schon seit Urzeiten Angst eingejagt haben. In den drei Romanen, deren Auftakt Schwarze Nacht ist, wird von der Angst vor der Dunkelheit erzählt, von der Angst, verlassen zu werden und allein zu sein, und von der Angst, sich zu Tode zu fürchten. Trotz des Zivilisationsprozesses haben wir diese Ängste nie besiegt. Sie sind unsere ständigen Begleiter und die schwarze Trilogie wird zeigen, dass nicht viel passieren muss, um sie ganz, ganz schnell wieder übermächtig werden zu lassen. Andreas Roman erzählt im Interview, was ihn auf die Idee zu dieser Trilogie brachte.

Jeder von uns hat zumindest ein bisschen Angst vor der Dunkelheit – was für ein tolles Szenario für den Roman. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Vielen Dank! Die Idee kam mir, als ich in einem kleinen Haus auf dem Land gelebt habe. Dieser dunkle Herbst war außergewöhnlich kalt, und wie in Schwarze Nacht war keiner in der Nähe, wenn es Abend wurde, wenn die Dunkelheit kam. Ich war ganz allein. Und nach ein paar Nächten erinnerte ich mich daran, dass ich als Kind immer sehr viel Angst im Dunkeln hatte. Das kam nun alles wieder hoch und manche Nächte waren – ehrlich gesagt – einfach furchtbar. Ich habe mir eingebildet, dass jemand von draußen durch die Fenster schaut oder sich der Tür nähert und es im nächsten Moment klopfen würde. Ich habe dann Ausreden erfunden, um nicht zuhause schlafen zu müssen und um von diesem Haus wegzukommen. Und dann dachte ich: Wenn ich nicht nur Angst hätte, sondern eine Phobie, ganz offiziell diagnostiziert, dann wäre es die reine Qual. Und da man die Dunkelheit nicht umgehen kann, würde diese Tortur Nacht um Nacht wiederkehren. Es gibt kein Entkommen. Man kann sich auch nicht wirklich selber davor schützen. Die einzige Lösung, außer wirklich dagegen anzukämpfen, ist, sich vorübergehend zu betäuben.

Haben Sie Nachforschungen zu dem Thema angestellt?
Ja, habe ich. Ich habe mich einer Gruppe Leute im Internet angeschlossen, die alle Angst vor der Dunkelheit hatten. Ich habe mich auch über Nyctophobie informiert – so lautet der Fachbegriff. Aber das ist ein noch sehr unerforschtes Gebiet. Ich habe nur einen Psychologen getroffen, der einen Patienten mit Nyctophobie behandelt hat. Er betonte allerdings, dass dieses Phänomen weiter verbreitet ist, als man denkt. Aber diejenigen, die darunter leiden, denken, da ist nichts zu machen. Sie haben es ihr ganzes Leben gehabt. Und sie haben Wege gefunden, damit klarzukommen. Wege, die funktionieren. Meistens.

Haben Sie Angst vor der Dunkelheit?
Als Kind hatte ich richtig Angst, als ich etwa mit fünf Michael Jacksons Thriller gesehen habe. Er ist sowieso schon schaurig genug, und dann verwandelt er sich auch noch in einen Werwolf oder einen Zombie! Es hat mich zu Tode erschreckt und ich habe Jahre gebraucht, darüber hinwegzukommen. Ich habe das Video tatsächlich erst vor ein paar Wochen wieder gesehen. Diesmal hat es mir nicht mehr ganz so viel Angst eingejagt.

Hat sich ihre Angst vor der Dunkelheit geändert, nachdem Sie den Roman geschrieben haben?
Sie ist schlimmer geworden! Sie ist wieder da. Ich dachte, es wäre nur eine Erinnerung, aber das war es nicht. Am Ende habe ich mir eingebildet, dass mich jemand aus der dunkelsten Zimmerecke heraus beobachtet. Ich schlief in einem Haus auf dem Land, das meiner Familie zu dieser Zeit gehörte, und vor dem Schlafzimmer ist dieser lange Flur. Ich stellte mir vor, wie ein Schatten langsam diesen Flur entlang auf meine Zimmertür zukommt. Er machte kein Geräusch, aber er war da. Alle meine Romane haben diesen Effekt auf mich, deswegen fürchte ich mich schon davor, was passieren wird, wenn ich mit meinem nächsten Roman weiterkomme, der in gewisser Hinsicht sogar noch gruseliger ist, da das Szenario JEDEM passieren kann.

Haben Sie jemals – wie der Held - eine Woche ganz allein im Wald verbracht?
Nur dieses eine Mal, das ich erwähnt habe, also nicht ganz so tief im Wald, aber einsam. Danach habe ich es nicht mehr gewagt, auch wenn Freunde mir dazu rieten, um in die richtige Stimmung für das Buch zu kommen. Ich muss dazu sagen, dass ich ihnen nie von meinen schlimmen Erfahrungen erzählt habe – sie wussten also nicht wirklich, was sie da vorschlugen.

Der so ziemlich einzige Freund des Protagonisten ist eine Katze. Eine Frage in Anbetracht dessen, was der Katze im Roman passiert, was wir hier aber nicht verraten: Mögen Sie Katzen?
Katzen sind die Besten. Ich habe drei Katzen, und eine davon heißt Timjan (Thymian auf Deutsch). Ihrem Aussehen und ihrem Charakter nach ist sie die Katze aus dem Buch. Als ich den Roman vor der Veröffentlichung meiner Freundin zu lesen gegeben habe, sah ich, wie sie das Gesicht verzog, als sie den Teil mit der Katze las. Sie hat angefangen zu weinen und mich ein Monster genannt. Als das Buch veröffentlicht wurde, haben mich Familie und Freunde gefragt, was mit mir los sei. Als Witz natürlich. Wir haben alle darüber gelacht. Aber manchmal frage ich mich das wirklich. Und ich glaube, sie auch.

Wer sind Ihre Lieblingsautoren?
Also, ich halte nicht viel von langen Listen, und da ich sehr viele Lieblingsautoren habe, nenne ich nur die wirklich großen. Joseph Conrad bewundere ich für sein Buch »Heart of Darkness«. Donna Tartt für ihren Stil und die menschlichen Abgründe. Stephen King dafür, dass er zeigt, dass das wirkliche Grauen immer mit etwas Vertrautem anfängt. Paul Auster dafür, dass er mich verwirrt und es geschafft hat, dass ich das mag. Und J. K. Rowling dafür, dass sie Kindern das Lesen zurück an die Tagesordnung gebracht hat und besonders für das, was sie für Catie Hoch getan hat. Das ist wirkliches Mitgefühl.

Hatten Sie einen besonderen Autor im Kopf, als Sie dieses Buch geschrieben haben?
Nicht wirklich, auch wenn ich immer Conrad und Tartt erwähne, wenn ich die Gelegenheit habe. »Es ist ein bisschen wie ›Heart of the Darkness‹« oder »Nicht ganz der ›Secret Story‹ unähnlich«, so was sage ich zehn oder fünfzehn Mal am Tag, wenn ich kann. Interessanterweise ist Conrad ein fast schon abgenutzter Verweis im Bereich der Computerspiele geworden, in dem ich immer noch arbeite, wenn ich nicht schreibe.

Schweden ist nicht für seine Horrorliteratur bekannt, dafür aber für Kriminalautoren wie Stieg Larsson oder Henning Mankell. Was veranlasst Sie, Horror zu schreiben?
Ich bewundere die Fähigkeit, die man braucht, um Kriminalliteratur zu schreiben und ich habe großen Respekt vor unseren Krimiautoren und dem, was sie erreicht haben. Im Allgemeinen aber wird in Schwedens Literatur mehr erzählt als gezeigt – ich hingegen tendiere zum Gegensatz: Ich zeige lieber, was vor sich geht, und dann kann man sich den Rest denken. Außerdem biete ich dem Leser keine echten Sicherheiten. Wenn man meine Bücher liest, ist man nicht in einem Wohlfühlbereich. Etwas, das in der populären Kriminalliteratur fast obligatorisch ist, ist, dass während manche Leute sterben und andere nicht, man doch immer in der Behaglichkeit eines verdammt guten Mordes und einer Tasse Tee eingemummelt ist – recht herzlichen Dank – und sich überhaupt nicht gruselt, nicht mal, wenn sie zweihundert Prozent geben. Man ist nur angenehm aufgeregt. Und das ist nichts Schlechtes! Aber es berührt einfach nicht unsere Urinstinkte. Horror dagegen tut genau das. Und ich mag es, ursprünglich zu werden.

Welche Beziehung sehen Sie zwischen Ihrem Schreiben und dem Konzeptionieren von Computerspielen? Gibt es einen Zusammenhang? Beeinflussen sie sich gegenseitig?
Oh ja, natürlich. Schon allein zu wissen, wie man allgemein eine Geschichte erzählt, hilft mir sehr bei meiner Arbeit mit den Games. Obwohl es meist ein hoffnungsloses Unterfangen ist, eine anständige Geschichte in ein Spiel zu bekommen, ist Geschichtenerzählen immer noch ein Talent, das Game-Entwickler nicht nur respektieren, sondern auch als sehr wichtig erachten. Vor allem, wenn man den emotionalen Einfluss betrachtet, den eine gelungene Geschichte haben kann. Aber den Spielentwicklungsprozess dahin zu bringen, dass gutes Geschichtenerzählen in ein Spiel integriert wird, ist immer noch etwas, das die meisten Game-Concepter nicht beherrschen (von ein paar glänzenden Ausnahmen abgesehen). Und als Romanschreiber mit Betonung auf das Visuelle ist das Entlehnen aus Computerspielen extrem nützlich. Ich glaube, dass Videogames, was die visuelle Präsentation angeht, Filme inzwischen übertroffen haben. Immerhin können sie über Stunden eine Geschichte erzählen, ohne eine einzige Dialogzeile zu benötigen, und einen dabei trotzdem emotional völlig fordern. Auch hier sind wir wieder bei unseren Urinstinkten. Es gibt in Computerspielen genug Stoff, aus denen man tolle Romane machen könnte, aber das ist ein gefährliches Feld. Videospiele werden immer noch nicht als Mittel ernst genommen, um komplexere Gedanken rüberzubringen – deswegen muss jeder, der es wagt, gegen ein wahres Heer von Skeptikern antreten. Genau diesen Widerstand muss man sich bei dem Konzeptionieren von Spielen vorstellen und dann leistet man de beste Arbeit.