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SPECIAL zu den Thrillern von A. J. Kazinski

Interview mit A. J. Kazinski (Oktober 2010)

A.J. Kazinski ist das Pseudonym des Filmemachers und Autors Anders Rønnow Klarlund und des Autors Jacob Weinreich.

A. J. Kazinski
© Christopher Schmid
Die beiden Autoren erklären, dass sie während des Entstehens von DIE AUSERWÄHLTEN eine Person gebraucht haben, die den Text kritisiert ohne zu persönlich zu werden. Deshalb haben sie den Herrn Kazinski erfunden: Ein grießgrämiger, alter New Yorker Jude, der sich als verkanntes Genie versteht und die ganz Welt hasst. "Wenn einer von uns die Arbeit des anderen kritisiert wollte, hat das keiner von uns persönlich nehmen müssen. Wir haben dann einfach den imaginären Herrn Kazinski angerufen und ihn um seine Meinung gebeten. Und wir konnten immer damit rechnen, dass er das Geschriebene nicht gut finden würde. Jeder brauchte dem anderen dann bloß zu erzählen, was Herr Kazinski gesagt hat - 'Also, Herr Kazinski findet diesen Text wirklich grauenhaft!'''
Bereits vor Erscheinen Ihres Buches in Dänemark herrschte im Ausland großes Interesse an diesem Titel. Haben Sie damit gerechnet?
A. J. Kazinski: Nein, das war ziemlich überwältigend und übersteigt unsere Erwartungen bei weitem. Aber uns war immer klar, dass unsere Geschichte etwas Besonderes hat. Mit Fragen wie „Was heißt es, ein guter Mensch zu sein?“ und „Was bedeutet es, ein böser Mensch zu sein?“ geht es in unserer Geschichte um etwas ganz Grundlegendes. Vor allem, wenn diese Fragen in eine atemlos spannende Story eingebettet werden.

Wie haben Sie es geschafft, als Team so gut zu schreiben?
A. J. Kazinski: Durch die Teamarbeit wurde aus dem Schreiben ein Spiel. Und manchmal natürlich auch ein Kampf. Aber wir haben uns gut vorbereitet und wussten, was wir wollten. Wir haben ein kleines Büro gemietet, mit Blick auf den Jüdischen Friedhof. Dann haben wir uns gegenübergesetzt, jeden Tag von 8.30 Uhr bis 12.00 Uhr. Bis wir mittags wieder gingen, musste jeder fünf Seiten geschrieben haben. Wir haben am 3. Januar angefangen und am 1. April waren wir mit der ersten Fassung fertig. Zu sehen, wie die Tage wieder länger wurden, hat uns angespornt – und der Roman ist gewachsen und gewachsen. Wir haben beide die Erfahrungen genutzt, die wir in der Filmbranche gesammelt haben: Wie man zusammenarbeitet, und wie man aus dem anderen etwas rauskitzelt.

Wie kam Ihnen die Idee?
A. J. Kazinski: Anders hat „Der Lügner“ von Martin A. Hansen gelesen und ist über einen alten Mythos aus dem Jüdischen Talmud gestolpert. Darin heißt es, dass stets 36 Gerechte auf der Erde leben, die das Böse in Schach halten. 36 Auserwählte, die so gut und gerecht sind, dass sie uns alle beschützen können. Wir haben sofort das große Potenzial für eine spannende Story gesehen. Außerdem interessieren wir uns beide für die Frage, was Gerechtigkeit eigentlich ausmacht. So hat das Ganze rasch Gestalt angenommen. Die Idee, dass sich ein Polizeibeamter auf die Suche nach „dem Gerechten“ macht, bevor es zu spät ist, hat uns begeistert. In anderen Krimis ist es ja immer der Mörder, der Böse, der gejagt wird. Wir wollten den Spieß umdrehen, und das auf ebenso spannende Weise.
Wir meinen, dass in der Literatur wie in der Kultur oftmals das Böse thematisiert wird. Aber warum nicht das Gute? Unserer Meinung nach ist es viel provokanter, über das Gute nachzudenken, als über das Böse. Und so sollte es ja eigentlich nicht sein …

Wie haben Sie beim plot den Überblick behalten?
A. J. Kazinski: Die Wände waren mit gelben Zetteln gespickt, und jedes Kapitel ist mit einer Überschrift, einer Zeit- und Ortsangabe versehen worden. Aber dabei sind wir manchmal auch ganz schön ins Schwitzen gekommen, weil der plot so komplex und verrückt ist. Uns ist der plot ungeheuer wichtig. Die gute, mitreißende Erzählung. Spannung, die sie vorantreibt.

Haben Sie auf Ihr Wissen aus der Filmbranche zurückgreifen können?
A. J. Kazinski: Wenn sich das Krimigenre durch etwas auszeichnet, dann dadurch, dass die Geschichte oft in Szenen erzählt wird: Ein Mord wird begangen. Jemand findet eine Leiche. Die Polizei trifft ein. Die Verdächtigen werden der Reihe nach verhört. Und so weiter. In diesem Zusammenhang haben wir natürlich von Anders‘ Erfahrung als Drehbuchautor profitieren können. Wie konstruiert man eine Szene, damit sie spannend wird? Wie und wann beendet man eine Szene? Solche Überlegungen.

Wird es eine Fortsetzung geben?
A. J. Kazinski: Unser Protagonist, Niels Bentzon, macht in der Geschichte eine gewaltige und bedeutende Entwicklung durch. Seine gesamte Sichtweise auf die elementaren Dinge wie Leben, Tod und Religion werden völlig umgekrempelt, und er gelangt zu einer Erkenntnis, die einer Offenbarung gleichkommt. Diese Erkenntnis wollen wir tiefer ausloten. Wir wollen weitere Facetten von Niels` Persönlichkeit beleuchten und planen, bereits im nächsten Jahr ein weiteres Buch über ihn zu schreiben. Wir können einfach nicht ohne ihn.

Welche Erfahrungen können Sie beim nächsten Mal nutzen?
A. J. Kazinski: Dass man in den dunklen Monaten am besten schreiben und lesen kann. Es ist sowieso zu kalt, um nach draußen zu gehen, zu dunkel, um richtig gute Laune zu haben, und dann kann man ebenso gut in die Fiktion abtauchen. Vielleicht sind die Werke der großen russischen Schriftsteller ja deswegen so umfangreich? Beide, Autor wie Leser, können eine zweite Wirklichkeit gut gebrauchen, um den langen Winter zu überstehen. Wer weiß – wenn der Winter nächstes Jahr milder wird, wird die Fortsetzung von „Die Auserwählten“ vielleicht etwas kürzer …

Übersetzt von Nike Karen Müller