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Rezension zu
153 Formen des Nichtseins

Heimatfindung, Herkunftssuche, sprachlich interessant aufgearbeitet

Von: MarcoL
16.02.2024

Herkunft und Ankunft, verfremdete alte Heimat und zur Gewohnheit gemachte neue Heimat. Es sind zwei Welten, in welchen sich die Ich-Erzäherlin Ksenia Lindau nicht zurecht findet. Ksenia kam, genauso wie die Autorin selbst, im Kindesalter von Russland nach Deutschland. Hier gelten sie als Russen, dort als Deutsche. Eine eigene Identität zu finden ist schwierig. Zu alle dem kommen noch religiöse Verwirrungen hinzu. Ihre Großvater ist Jude, und übt diesbezüglich einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Mädchen aus. Ihre Eltern hingegen bekennen sich als Hardliner der Zeugen Jehovas. Die Erziehung ist streng, Züchtigungen gehören genauso dazu wie das Entsagen von gewissen Freuden, wie etwa das ein Weihnachtsfest oder gar Geburtstage. All dies macht Ksenia in Deutschland neben ihrer Herkunft nur noch deutlicher zu einer Außenseiterin. Die Jahre gehen dahin, ihr Leben wird eines Tages eigenständig, aber gewisse Lücken bleiben. Und sie hinterfragt immer wieder all die erzwungenen Schranken und Normen – sie fühlt sich oftmals fehl am Platz, auch wenn sie versucht zu verstehen. Sie erfasst, was sie nicht ist oder nicht sein will, viel mehr als jene Fakten, welche sie im Leben verankern (könn(t)en). Und so wie das Seelenleben Ksenias nach außen hin ein Durcheinander darstellt, hat die Autorin die Schreibart angepasst. Es sind meist nur kurze Kapitel, titelgebend 153 Stück, in verschiedensten prosaischen Stilen. Kurzprosa, Briefe, Ebay-Suchergebnisse, Mails, Tagebucheinträge, Gedichte oder sogar Gottesdienste dienen als Botschafter einer Suche, welche die Autorin in nicht chronologischer Reihenfolge aufs Papier bannt und somit die Unschlüssigkeit Ksenias an die Leser:Innen weitergibt. Die Autorin bedient sich der vielen prosaischen Stilmitteln, um ihr Anliegen und ihren inneren Kampf der Leserschaft plastisch darzulegen. Für mich unterscheidet sich dieser Roman somit sehr von den meisten anderen Büchern. Die Zahl 153 besitzt eine sehr tiefe Symbolik, vor allem in der Religion. Die Autorin hat mit ihren Ausführungen, was explizit ihre Berührungen zu Judentum und Zeugen Jehovas anbelangt, mit dieser mystischen Zahl und der Art der erzählerischen Herangehensweise, ein einzigartiges Werk geschaffen. Für mich ist das ein sehr gelungenes Stilmittel, wenn auch nicht immer leicht zu lesen oder nach zu vollziehen. Dennoch gebe ich hier sehr gerne eine Leseempfehlung für dieses außergewöhnliche Buch. Der Roman war auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis 2022

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