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Rezension zu
Der Skandal

Spannender Pageturner mit viel B-Movie Feeling

Von: Koreander
26.07.2023

In Deutschland werden jedes Jahr etwa 660 Millionen Hühner, 52 Millionen Schweine, 33 Millionen Puten, 20 Millionen Fische aus „Aquakultur“, zehn Millionen Enten, drei Millionen Rinder und eine Million Schafe und Ziegen für den Verzehr geschlachtet. Das sind jeden Tag über zwei Millionen Landwirbeltiere. 1.440 pro Minute. 24 pro Sekunde. Nur, weil jemand Fleisch essen möchte. Weil es ja so gut schmeckt. Und so schön billig ist. Fast alle diese Tiere leben in brutalen Massentierhaltungen. Tierschutz ist in Deutschland quasi nicht existent, es handelt sich um ein reines Lippenbekenntnis. Und während wir empfindsame Lebewesen quälen und töten, zerstören wir gleich noch unsere Lebensbedingungen, indem die Massentierhaltung eklatante Umweltschäden fabriziert. Das ist die Ausgangsbasis des neuen Romans des Autorenbrüderpaars Tom und Stephan Orgel. Der Skandal denkt Lösungsmöglichkeiten dieses weltweiten Problems weiter. Was wäre, wenn wir den Fleischbedarf mit Laborfleisch decken könnten? Und so ist ein Near-Future-Thriller entstanden, der mit einer herausragenden Hintergrundstory überzeugt. Im Mittelpunkt steht das Milliarden-Unternehmen Light Foods mit seinem hippen Gründer Dan Light, der ziemlich stark an eine Mischung aus Elon Musk, Jeff Bezos und Steve Jobs erinnert. Der sich allerdings dabei eher wie Johnny Depp benimmt. Light Foods stellt Laborfleisch her und wirbt damit, umweltfreundlich und ohne Tierleid echtes Fleisch herzustellen. So muss niemand Verzicht üben und kann sich mit gutem Gewissen seinem Steak oder Rippchen widmen. So weit, so genial. Nur leider bricht eine weltweite Krankheit aus, die sich BSE als Vorbild nimmt. Kann es einen Zusammenhang mit Light Foods geben? Chance skandalös vertan Die Rahmenhandlung ist wirklich ausgezeichnet und böte die Grundlage für einen neuen dystopischen Klassiker. Nun sind die Orgel-Brüder allerdings eher bekannt für launige Unterhaltungsromane aus dem Bereich Fantasy und Science-Fiction. Mit „Der Skandal“ legen die beiden ihren ersten Thriller vor. Und die Mischung aus (genretypischen) Spannungsroman und (vermeintlich) spaßiger Darbietung funktioniert eher mittelmäßig. Einige Szenen, manche Charaktere und vor allem die Actionsequenzen sind dermaßen stereotyp, unrealistisch und unlogisch, dass am Ende nur die Grundlage für ein B-Movie zustande kommt. Und das ist wirklich schade, denn „Der Skandal“ hatte das Potenzial nicht nur verkaufbare und unterhaltsame Massenware zu liefern, sondern auch mit einem spannenden und wichtigen Thema aufzurütteln. Mal ganz abgesehen davon, dass es auch das Potenzial für wirklich überraschende Wendungen gegeben hätte, die die beiden aber zugunsten äußerst vorhersehbarer und gewöhnlicher Plot Twists liegen gelassen haben. So bleibt leider von einer tollen Hintergrundgeschichte am Ende doch nur Thriller-Stangenware übrig. Zwar wird mit Berichterstattung, Verschwörungstheorien und FakeNews gespielt, aber leider wird dies viel zu inkonsequent verfolgt. Die verschiedenen Kommunikationsformen werden zwar genutzt, aber nicht stringent und kohärent durchdacht. So wirkt es eher wie Effekthascherei, anstatt zu einem eigenen strukturgebenden Prinzip zu werden. Und es kommt, wie es kommen muss. Es gibt einen Super-Bösewicht, der eher in einen James Bond Film gepasst hätte, sowie unlogische und unrealistische Szenarien, die nicht aufgeklärt werden, einfach nur um die Handlung überhaupt zu ermöglichen. Das kann man auch mit der schriftstellerischen Brechstange konstruiert nennen, nur um Spannung zu erzeugen. Vom Vorgehen erinnert das an unmotivierte Jumpscares in entsprechenden Genrefilmen. Je weiter der Roman voranschreitet, desto mehr B-Movie Action kommt hinzu, die schlimme Verfilmungen auf RTL Niveau ahnen lässt. Selbst die gefährlichsten Situationen müssen immer noch mit einem (peinlichen) lustigen Spruch versehen werden. Das könnte man jetzt wohlwollend als Reminiszenz an (z.B.) Bruce Willis Filme der 1990er Jahre ansehen, man kann davon aber in den 2020ern auch gerne schnell gelangweilt sein. Dennoch funktioniert die ein oder andere Pointe und schmiegt sich damit an den unterhaltsamen Flow an. Augen zu und durch. Aber mal ehrlich, kann sich noch irgendwer Die Hard ohne Cringe-Moment anschauen? Und dass, obwohl ich zur direkten Zielgruppe gehören dürfte. Zumindest was das Alter angeht. Immerhin befinden sich im Text erwähnte Lieder in meiner Playlist. Denn wie auch in anderen Romanen der beiden Brüder, finden sich auch hier einige popkulturelle Referenzen. Was mir tatsächlich große Freude bereitet. Zumal dieses Stilmittel hier nur spärlich verwendet wird. Aber genauso wie bei 90er Jahre Actionfilmen, verabschieden sich Logik und Realitätsanspruch im zweiten Teil des Buches komplett. Jason Bourne meets Lola rennt. Und da schrammt das Buch dann auch das ein ums andere Mal an der Trashgrenze entlang. Um es noch einmal zu sagen. Das kann man ruhig alles machen. Es ist ja auch (leidlich) unterhaltsam. Man muss eben nur wissen, worauf man sich bei T.S. Orgel einlässt. Leider gibt es dann zum Ende hin noch einige innere Widersprüche, was eigentlich hätte auffallen müssen. Oder es war dann nach der ganzen absurden Action auch schon egal. Auch scheint sich das Lektorat gegen zwei völlig überflüssige Kapitel nicht ausgesprochen zu haben. Diese Kapitel treiben die Geschichte nicht voran und ergänzen sie nur um weitere hanebüchene Aspekte. Und so ist ein Teil des Endes wirklich übelster James Bond Kram. Letztlich bildet den Handlungsrahmen also eine ausgezeichnete Triple-A-Story, die den gesamten Roman trägt und zu einem spannenden Pageturner macht. Dennoch ist es keine große Literatur, die sich mit den dystopischen Vorgängern messen könnte, sondern es ist Massenware. Gut unterhaltende Massenware, aber eben auf Verkaufszahlen ausgerichtet und nicht auf künstlerischen oder gesellschaftlichen Mehrwert.

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