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Material für Lesekreis und Buchclubs zu Lisa Wingate

Lisa Wingate: Die wahre Geschichte zu »Die Glasperlenmädchen«

Hintergründe

Der Funke für Hannies und Bennys Geschichte kam auf ganz moderne Art und Weise – per E-Mail. Eine Frau, die gerade meinen Roman »Libellenschwestern« gelesen hatte, schrieb mir, weil sie mir ein anderes geschichtliches Detail näherbringen wollte. In ihrer Funktion als Freiwillige der »Historic New Orleans Collection« fütterte sie eine Datenbank mit den Angaben aus über hundert Jahre alten Zeitungsannoncen. Ziel des Ganzen war, eine Vermissten-Rubrik zu erhalten und all jenen zur Verfügung zu stellen, die via Internet genealogische und historische Recherchen anstellten. Allerdings sah die Frau sehr viel mehr in den Vermisstenanzeigen als reines Recherchematerial. »Hinter jeder dieser Annoncen steckt eine Geschichte«, schrieb sie mir. »Die fortwährende Suche nach geliebten Menschen, die man teilweise vierzig Jahre oder länger nicht mehr gesehen hatte.«
Auf meine Bitte hin verschaffte sie mir Zugang zu der Datenbank, wo ich regelrecht in einen Kaninchenbau fiel, in ein Wunderland aus längst vergangenen Leben, aus Geschichten und Gefühlen und Sehnsüchten, festgehalten mit den leicht verschwommenen Lettern alter Druckerpressen. Manche der Menschen, die hier genannt sind, lebten möglicherweise nur noch in diesen verzweifelten Bittschriften, verfasst in behelfsmäßigen Klassenzimmern, an Küchentischen oder auf Kirchenbänken und anschließend weitertransportiert mit Zügen, Postkutschen, auf Raddampfern und in den Satteltaschen von Reitern, die die Post in die entlegensten Landesteile einer sich immer weiter ausbreiteten Nation brachten. Und stets waren die Schreiben von Hoffnung und Sehnsucht beflügelt.

In der Hochphase der Annoncen, die im »Southwestern Christian Advocate«, einer methodistischen Zeitung, veröffentlicht wurden, ging das Blatt an fast fünfhundert Prediger, achthundert Postämter und mehr als viertausend Abonnenten im ganzen Land. In der Einführung wurden die Pastoren gebeten, die Schreiben von der Kanzel herab zu verlesen, um so die Namen all jener publik zu machen, die nach ihren vermissten Angehörigen suchten. Zudem wurden auch all jene gebeten, deren Suche von Erfolg gekrönt war, dies der Zeitung zu melden, um so andere zur Mithilfe zu ermutigen. Die »Lost Friends«-Vermisstenannoncen waren quasi das Äquivalent zu unseren heutigen Social-Media-Plattformen – ein Mittel, um selbst die abgelegensten Teile eines zerstückelten, von Not und Ängsten gebeulten Landes zu erreichen, das nach dem jahrelangen Krieg noch immer Mühe hatte, seine eigene Identität zu finden.

An diesem ersten Tag las ich Dutzende dieser Annoncen und hatte das Gefühl, all den Familien zu begegnen, die Suchenden kennenzulernen. Und am Ende wusste ich, dass ich die Geschichte einer Familie schreiben musste – durch Gier, Chaos und Grausamkeit auseinandergerissenen. Und über die Vermissteninserate war Hoffnung erblüht, wo vorher vielleicht längst keine mehr gewesen war.
Nachdem ich diese besondere Annonce gelesen hatte, hatte ich auf einmal Hannies Stimme im Ohr:
Mir war klar, dass Hannies Geschichte sich am Leben von Caroline Flowers orientieren musste, die diese Annonce verfasst hatte, nur dass Hannies Suche sie auf eine Reise führen würde; eine Art Odyssee, die ihr Leben für immer verändern und die Weichen für ihre Zukunft neu stellen sollte. Wegen Hannies Alter und um diese von Gesetzlosigkeit und Gefahr geprägte Ära darzustellen, musste ich die Geschichte 1875 ansiedeln, also zehn Jahre nach dem Krieg. Zwar haben auseinandergerissene Familien bereits seit Kriegsende Annoncen in Zeitungen aufgegeben, doch eine Verbreitung der »Lost Friends«-Vermisstenannoncen begann tatsächlich erst 1877 und zog sich bis in die Anfänge des neuen Jahrhunderts.
→ Ich hoffe, es bereitet Ihnen Freude, Hannie und ihr modernes Pendant Benny kennenzulernen, und Sie verfolgen ihre Reise mit ebenso viel Spannung und Begeisterung wie ich, als ich sie zu Papier gebracht habe. Für mich sind sie zwei bemerkenswerte Frauen, die den Grundstein für das Vermächtnis gelegt haben, von dem wir heute profitieren: Lehrerinnen, Mütter, Geschäftsfrauen, Aktivistinnen, Pionier-Farmerinnen und Frauen in Schlüsselpositionen in den Gemeinden, die davon überzeugt waren, die Welt besser machen zu können, und dafür große Risiken auf sich genommen haben.

Ihre
Lisa Wingate

Recherche für »Die Glasperlenmädchen«

Die Whitney Plantation

Meine Recherchen führten mich westlich von Dallas in Richtung Süden durch Louisiana, genau entgegensetzt des Weges, den Hannie, Lavinia und Juneau Jane auf ihrem Trek im Roman folgen. Der Trip führte mich durch Sumpflandschaften und dann zur Old River Road, die dem Mississippi von Baton Rouge bis nach New Orleans folgt. Nach einiger Zeit kreuzte ich die Straße zur Whitney Plantation. Diese historische Stätte ist zwar nicht die größte oder beeindruckendste der Plantagen, die entlang der Old River Road überlebt haben, aber sie widmet sich exklusiv einer anderen Facette in der Geschichte der großen Plantagen – den Erfahrungen der als Sklaven ausgebeuteten Menschen. Es ist ein Ort, an dem eine kraftvolle Geschichte erzählt wird.
Der Cane River Creole National Park
Nach meinem Abstecher zur Old River Road fuhr ich weiter nach Norden und machte im Cane River Creole National Historic Park Halt, wo Ranger Matt Housch mich vor dem Tor aufgabelte und mich zu einer unglaublich spannenden Besichtigung der Magnolia Plantation einlud. Begegnungen mit wildfremden, aber überaus freundlichen Menschen sind eine der größten Freuden dieser Recherchetrips. Ich kann immer wieder nur über die Bereitschaft der Leute staunen, Autoren wie mir zu helfen, wo sie nur können.
Meine Besichtigung der Magnolia Plantation mit Park Ranger Matt hat mir eines ganz deutlich vor Augen geführt: Wie viel von dem Herrenhaus exakt den Details von Goswood Grove entsprach, die ich vor Augen gehabt hatte, als ich den ersten Entwurf meines Romans schrieb. Matt und ich begannen unsere Tour in dem erhöhten Ziegelkeller, der trotz der fehlenden Türen und Wände sehr dem Keller glich, in dem Hannie sich versteckt hatte, inklusive der massiven Ziegelsäulen. Matt erwähnte, damals seien Falltüren im Boden eingelassen gewesen, über die die Sklaven von unten Zugang zu den unterschiedlichen Räumen des Hauses gehabt hätten. Eine dieser Klappen führte wohl von einem Kellerraum ins Kinderzimmer. Die Amme oder das Kindermädchen, die nachts dort unten schliefen, mussten durch die Klappe hoch ins Zimmer kommen, um das Baby zu füttern oder zu beruhigen, wenn es schrie.
Die letzte Etappe meiner Reise

Die letzte Etappe meiner Reise war in vielerlei Hinsicht die beste. Ich arbeitete mich über die baumgesäumten Trampelpfade des ländlichen Louisianas, um endlich Diane kennenzulernen, die ehrenamtliche Helferin des Museums »Historic New Orleans Collection«, die mich angeschrieben hatte, nachdem sie meinen Roman »Libellenschwestern« gelesen hatte. Sie hatte in mühevoller Kleinarbeit die »Lost Friends«-Vermisstenannoncen in die Datenbank des Museums übertragen und fand, ich sollte unbedingt von ihnen erfahren. Die Geschichten der »Lost Friends« haben mich zu Hannies und Bennys Geschichte inspiriert.
Wenn Sie sich über Dianes Arbeit und die »Lost Friends«-Vermisstendatenbank weiter informieren wollen:
www.hnoc.org/publications/first-draft/lost-friends-ad-reveal-heartbreak-familiy-separation-during-slavery

Zugang zur Datenbank finden Sie hier:
www.hnoc.org/database/lost-friends/

Hier gelangen Sie zur Vermissten-Datenbank der Villanova University mit Annoncen aus dem »The Christian Recorder«:
www.informationwanted.org/

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