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Interview mit Lucinda Riley über "Die Mondschwester"

Fragen und Antworten

Die Mondschwester (Band fünf der Reihe)

1. Tiggy ist die spirituellste der Schwestern. War es schwierig für Sie, ihre Stimme zu finden?

Ich habe mich sehr darauf gefreut, Tiggys Geschichte zu beginnen, weil ich den Eindruck hatte, dass sie mir von allen Schwestern am ähnlichsten ist. Bei den anderen Büchern der Reihe habe ich die Teile, die in der Vergangenheit spielen, zuerst geschrieben, bevor ich mich an die Gegenwartsebene machte. Doch bei der Mondschwester habe ich mit Tiggys Stimme angefangen. Mit ihr verbinden mich ein starkes Gefühl der Spiritualität und eine ähnliche Arte, die Welt zu sehen. Es hat mir große Freude bereitet, ihre Geschichte zu schreiben.

2. In welcher Beziehung steht Tiggy zu ihrer mythologischen Entsprechung Taygete?

Wie Tiggys ältere Schwester Maia lebte Taygete abgeschieden, nämlich in einer Gebirgsgegend um Sparta, die nach ihr benannt ist. Und wie Tiggys ältere Schwester wurde auch Taygete zu Objekt von Zeus’ Begierde. Um seinen Nachstellungen zu entgehen, wandte sie sich an Artemis, die Göttin der Jagd, worauf diese sie in eine Hirschkuh verwandelte. Doch auch so war Taygete nicht lange sicher, denn am Ende spürte Zeus sie auf und schoss einen Pfeil auf sie ab. Wie in allen Büchern der Reihe sind die Geschichten der Schwestern vom zugrunde liegenden Mythos geprägt. Meine Tiggy sucht wie Taygete die Abgeschiedenheit in der herrlichen Landschaft der Highlands auf dem Kinnaird-Anwesen, wo sie Zed Eszu begegnet – sein Nachname ist ein Anagramm von »Zeus«. Der Göttervater hatte eine besondere Vorliebe für die sieben Schwestern, und Zed umwirbt wie einst Maia jetzt auf Tiggy. Die Mondschwester enthält Verweise auf die griechische Mythologie sowie auf altes Wissen der britischen Roma und der spanischen Gitanos: In beiden Kulturen besitzt der Mond große Bedeutung; er ist das weibliche Gegenstück zur aggressiven »männlichen« Sonne.

3. In der Mondschwester sprechen Sie auch Fragen des Umweltschutzes an, so zum Beispiel die Erhaltung des Ökosystems, den kontrollierten Abschuss von Wild und die vegane Ernährungsweise. Was hat Sie dazu veranlasst, diese Themen anzuschneiden?

Durch den Roman ist mir bewusste geworden, für wie selbstverständlich wir das Funktionieren unserer Umwelt halten. Tiggy ist Veganerin. Ich habe mir von Freunden Rezepte geben und die Schwierigkeit beschreiben lassen, die sie besonders in abgelegenen Gebieten manchmal haben, ihre Ernährungsweise aufrechtzuerhalten. Auf dem Alladale-Anwesen, dem Vorbild für Kinnaird, erklären mir die dortigen Forst- und Wildhüter, welchen Einfluss die Abholzung von Wäldern auf die schottische Landschaft hatte und dass ein Ökosystem, das aus dem Gleichgewicht geraten ist, von Menschen reguliert werden muss. Wie Tiggy hatte mich der Gedanke an den kontrollierten Abschuss von Rotwild anfangs entsetzt. Doch je mehr ich darüber erfuhr, wie Anwesen in den Highlands geführt werden, desto besser begriff ich, dass menschliches Eingreifen nötig ist, weil das Rotwild dort keine natürlichen Feinde hat. Und was die Wildkatzen angeht, die ich in den Highlands gesehen habe: Sie sind genauso abweisend wie die in meinem Roman! Die Alladale-Rangers haben mich über das schottische Wildkatzenzuchtprogramm informiert, das zu Bewahrung dieser seltenen Art beitragen soll, doch leider kommen in Gefangenschaft nur wenige Jungen zur Welt.
4. Tiggy und Charlie sprechen oft die Unterschiede zwischen Spiritualität und Wissenschaft an. Glauben Sie, dass beide Ansätze ihre Berechtigung haben?

Ja, natürlich. Ich kann sowohl Tiggy als auch Charlies Standpunkt nachvollziehen, und es gefiel mir, wie sie sich allmählich, als sie sich besser kennenlernen, einem Kompromiss annähern. Tiggy hat studiert, aber während ihrer Reise in ihre Vergangenheit tritt immer mehr ihre Heilerbegabung in den Vordergrund. Ich habe schon früher über Spiritualität geschrieben, zum Beispiel in der Mitternachtsrose über meine Figur der Anahita, doch niemals so ausführlich wie bei Tiggy, und es hat mir großen Spaß gemacht, mehr über das Wissen der spanischen Zigeuner-brujas zu erfahren.

5. Die Figur der Zara gibt Ihnen Gelegenheit, sich mit dem Einfluss von zerstrittenen Eltern und Scheidungen auf Kinder zu beschäftigen. War Ihnen von Anfang an klar, dass Sie sich in der Mondschwester mit diesem Thema befassen werden?

Die komplexe Figur der Zara war in diesem Roman mit am schwierigsten zu entwickeln. Ich erkunde gern unkonventionelle Familien und Beziehungen, weil Ehen nicht immer ein glückliches Ende nehmen. Oft müssen die Kinder mit den Folgen der elterlichen Trennung fertigwerden und haben das Gefühl, dass sie schuld sind wie in dieser Geschichte Zara.

6. Haben Sie als ausgebildete Balletttänzerin je mit Flamenco versucht? Wie sind Sie an Ihre Recherchen in Granada herangegangen?

In der Schwester-Reihe wollte ich von Anfang an einmal über eine Tänzerin schreiben, und da ich Tiggy als anmutig darstelle, glaubte ich, dass dieses Thema bei ihr am besten passen würde. Ich habe eine faszinierende Zeit in Granade verlebt und Sacromonte erkundet. Mein schönster Abend war der, an dem ich in einer der Höhlen eine Flamenco-Show miterleben durfte. Den Gitano-Tänzern so nahe zu sein und den Rhythmus der Musik zu spüren versetzte mich ganz und gar in Lucías Welt. Nachdem ich mich so intensiv mit Falemco und den spanischen Ausdrücken, die damit zu tun haben, beschäftigt hatte, bin ich am Ende sogar aufgesprungen und habe mitgetanzt!

7. Ihre Figur Lucía Albaycín ist der berühmten Flamenco-Tänzerin Carmen Amaya nachempfunden- Was hat Sie dazu veranlasst, die Figur zu fiktionalisieren, statt über Carmen selbst zu schreiben?

Carmen Amaya ist insofern eine echte Legende, als alles, was wir über sie wissen, mündlich überliefert, übertrieben und verzerrt ist – oft von Carmen selbst. Historische Details über ihr Leben lieferte mir die Biografie Queen oft the Gypsies von Paco Sevilla, dem es auf eindringliche Weise gelungen ist, ihr Leben von der Geburt bis zu ihrem Tod nachzuvollziehen. Doch nicht einmal ihm ist es gelungen, so grundlegende Fakten woe das Datum oder den Ort ihrer Geburt zu verifizieren. Also habe ich irgendwann beschlossen, mich von den komplexen Mythen um Carmens Leben zu lösen, und habe mir sie Figur Lucía Albaycín sowie ihren Geliebten Meñique ausgedacht, der vage auf dem Gitarristen Sabicas basiert, Carmens jahrelangem Partner. Aber die Geschichte um die Flamenco-cuadro, die während des Kampfs um Madrid im Keller eines Theaters ausharrte, sowie ihre anschließende Flucht nach Lissabon scheint den Tatsachen zu entsprechen.

8. In der Perlenschwester haben Sie die Kultur der Aborigines erkundet, in der Mondschwester beschäftigen Sie sich mit der der Gitanos. Was motiviert Sie über Gruppen am Rand der Gesellschaft zu schreiben?

Die Kultur der Roma und die der Gitanos faszinieren mich aufgrund ihrer engen Verbindung mit Erde und Natur, jedoch auch ihre tiefen spirituellen Überzeugungen wegen. Das zieht Tiggy und mich an. Die Recherchen dazu gestalteten sich schwierig, weil der größte Teil dieser Kultur mündlich überliefert ist. Aber nach zahlreichen Gesprächen mit Gitanos in Granada und der intensiven Lektüre von Werken über die britischen Roma hoffe ich, ihre Traditionen adäquat beschrieben zu haben. Zigeuner auf der ganzen Welt leiden seit Jahrhunderten unter Vorurteilen, und sie waren immer wieder der Verfolgung ausgesetzt. Ähnlich wie zahlreiche Christen haben auch viele Zigeuner sich heute von ihrem spirituellen Erbe entfremdet. Trotzdem wollte ich die alten Traditionen so genau wie möglich darstellen.

9. Zeds Aufdringlichkeit Tiggy gegenüber lässt sich, wie Charlie sagt, als sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz deuten. Wurden Sie von der #MeToo-Debatte beeinflusst?

Ich unterstütze die #MeToo-Bewegung voll und ganz und bewundere den Mut der Frauen, die an die Öffentlichkeit gegangen sind. Zeds Verhalten Tiggy gegenüber war schon immer in dem Roman angelegt, weil es sich an dem der Figuren aus der griechischen Mythologie orientiert, doch angesichts der aktuellen Diskussion erscheint sein Handeln in einem andern Licht. Charlie schützt Tiggy zu Recht, als er merkt, wie Zed mit ihr umspringt. Die Mondschwester spielt im Jahr 2008, aber ich habe sie 2017 geschrieben. Kaum zu glauben, welche Veränderungen in weniger als zehn Jahren passiert sind! Da in den Medien überall über dieses Thema diskutiert wird , beschäftig es mich selbstverständlich ebenfalls.

10. Bislang haben Sie jedes Jahr einen Band der Sieben-Schwester-Reihe geschrieben. Planen Sie eine Pause, um sich auf andere Projekte konzentrieren zu können, oder möchten Sie die Serie durchschreiben?

Seit Anfang 2014 arbeite ich praktische ohne Unterbrechung an der Sieben-Schwestern-Reihe – ein Marathon, der mir aber ausgesprochen gefällt! Ich lebe sozusagen mit den Geschichten der Schwestern und genieße das positive Feedback meiner Leserinnen und Leser. Nach Tiggys Geschichte habe ich mir eine kurze Verschnaufpause für ein anderes Projekt gegönnt und den Sommer über an einem Roman außerhalb der Reihe gearbeitet, der in Southwold, einem hübschen englischen Ort am Meer, spielt: Das Schmetterlingszimmer. Nun fühle ich mich erfrischt, und bereit, mich den letzten Bänden der Schwestern-Serie zuzuwenden.

11. Wollen Sie uns verraten, was Sie mit Elektra in der Sonnenschwester vorhaben?

Als wir Elektra am Ende der Mondschwester begegnen, werden wir ziemlich abrupt aus Tiggys Welt in den schottischen Highlands gerissen und nach New York katapultiert. Dem Leser wird sehr schnell klar, dass es Elektra nicht gut geht. Sie ist die Schwester, von der in der Reihe bis jetzt am wenigsten die Rede war, und wie über CeCe äußern sich die anderen Schwestern auch über sie oft negativ. Ich freue mich schon darauf, ihre Seite der Geschichte zu hören und mit ihr ihre Vergangenheit zu erkunden, die uns in die faszinierende Savannen von Kenia entführen wird.