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Interview mit Jan-Erik Fjell

Interview mit Jan-Erik Fjell

Interview mit Jan-Erik Fjell

Sie sind in Norwegen einer der berühmtesten und beliebtesten Spannungsautoren. Was war der Auslöser für Sie, Schriftsteller zu werden, und wie waren Ihre Anfänge als Autor?

Mir war immer bewusst, was der richtige Weg im Leben gewesen wäre, aber ich habe ihn nie eingeschlagen. Einfach, weil ich es als zu schwierig empfand. Mit Mitte zwanzig hatte ich bereits viele Kurse an der Uni besucht und mehrere Ausbildungen, unter anderem ein Lehramtsstudium, begonnen und wieder abgebrochen.
Als ich an dem Tag, an dem ich mein Lehramtsstudium hingeschmissen hatte, nach Hause fuhr, dachte ich an meine jüngeren Zwillingsbrüder (sie sind neun Jahre jünger als ich) und fühlte mich wie ein totaler Versager. Konnte das der Mensch in ihrem Leben sein, zu dem sie aufschauen sollten? Jemand, der bis dato nichts erreicht hatte? Ich sitze wegen einer Wirbelsäulenverletzung im Rollstuhl, und deshalb war es noch schwieriger, ohne Ausbildung einen Job zu finden. Ich konnte ja beispielsweise keine Kisten auf den Docks schleppen. Da kam ich plötzlich auf die verrückte Idee, ein Buch zu schreiben – bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich nur an Textnachrichten rangetraut. Meine erste Geschichte war eine Komödie für Teenager. Ich schrieb die komplette Story innerhalb von vier bis fünf Wochen. Nach zahlreichen Absagen von verschiedenen Verlagen bekam ich schließlich eine positive Antwort von einem kleinen Verlag. »Das wird ein Bestseller!«, sagten sie. Tja, das wurde es nicht. Wir verkauften 300 Exemplare. Aber das war mir egal, denn das Schreiben hatte mir so viel Spaß gemacht, dass ich unbedingt dranbleiben und es noch mal probieren wollte.
Also habe ich mir eine Figur namens Anton Brekke ausgedacht und angefangen, an einem Thriller zu arbeiten. Acht Monate später schickte ich mein Manuskript an einen Verlag. Es gefiel ihnen, und ich unterschrieb einen Vertrag. Die erste Auflage betrug 3.000 Exemplare, und ich erinnere mich, dass ich 2.500 Euro Vorschuss erhielt, was damals verdammt viel Geld für mich war. Ich wurde nervös und fragte mich: »Was, wenn mein Thriller niemandem gefällt?« Ich wollte schon fast wieder aus dem Geschäft aussteigen, denn ich hatte Angst, dass dieser tolle Verlag meinetwegen womöglich noch Verlust machen würde. Also rief ich meine Lektorin an und schlug ihr vor, ihr meinen Vorschuss zurückzuüberweisen. Sie versuchte, mich zu beruhigen, und versicherte mir, dass der Thriller keinesfalls floppen würde.
Das Buch erschien im August 2010 – und vier Monate später wurde ich mit dem Preis des Norwegischen Buchhandels ausgezeichnet. Über Nacht wurde ich plötzlich zum Bestsellerautor. Ich bin meiner Lektorin heute noch dankbar, dass sie mir damals sagte, ich solle mich beruhigen und an mich glauben. Jetzt, zwölf Jahre und neun Bücher später, muss sie mich immer noch beruhigen, wenn ich ein neues Buch herausbringe.

2010 wurden Sie für Ihr Debüt mit dem renommierten Preis des Norwegischen Buchhandels ausgezeichnet – so wie vor Ihnen bereits Jo Nesbø, Anne B. Ragde oder Jostein Gaarder. Wie hat sich das angefühlt?

O mein Gott, ich bin mir nicht sicher, ob ich darauf antworten soll. (Lacht.) Aber okay. Ehrlich gesagt hatte ich vorher noch nie von diesem Preis gehört. Die Sache ist die, dass ich eigentlich nichts über dieses Geschäft wusste, als ich anfing zu schreiben. Alles, was ich wusste, war, dass ich eine Geschichte erzählen wollte. Ich erinnere mich, dass mein Verleger anrief und mir sagte, ich sei nominiert. Er war völlig aus dem Häuschen, ich hingegen blieb relativ ruhig. Ich hatte ja keine Ahnung, wie bedeutend diese Nominierung war. Das wurde mir erst klar, als ich später meine Mutter anrief, um ihr die tolle Neuigkeit zu erzählen, und sie vor Freude anfing zu weinen. Als ich den Preis erhielt, fühlte sich das komplett surreal an. Das ist es immer noch. Seitdem hat sich alles verändert.

Was zeichnet Ihren Thriller »Nachtjagd« besonders aus?

Einer der Charaktere, die die Leser*innen in »Nachtjagd« kennenlernen, ist Monica, eine junge Frau, die auf der MS Nordlys arbeitet, einem der Hurtigruten-Kreuzfahrtschiffe, die entlang der norwegischen Küste verkehren. Sie verliebt sich in einen mysteriösen amerikanischen Passagier, der sich als Fotograf ausgibt, um die spektakuläre norwegische Natur, insbesondere die Nordlichter, zu fotografieren.
Zur gleichen Zeit treffen wir einen Mann in der Todeszelle in Texas, der nur noch Stunden von seiner Hinrichtung entfernt ist, als der Gefängnispfarrer ihn aufsucht, um ihn zu fragen, ob er für das, wofür er verurteilt wurde, Reue empfindet.
Diese beiden Geschichten verschmelzen miteinander, während Anton Brekke versucht, den berüchtigten Serienmörder Stig Hellum zur Strecke zu bringen.
Ich denke, dass die Kombination all dieser Elemente das ganz Besondere an diesem Thriller ist.

Haben Sie ein festes Ritual, wenn Sie sich zum Schreiben an den Computer setzen?

Ich habe keine festen Rituale oder Gewohnheiten beim Schreiben. Ich habe allerdings herausgefunden, dass ich frühmorgens am kreativsten bin. Ich stehe jeden Tag sehr früh auf, dabei spielt es für mich keine Rolle, ob es Montag oder Samstag ist. Ich bin immer zwischen fünf und sieben Uhr auf den Beinen. Es sei denn, ich habe einen Kater (lacht), dann bleibe ich vielleicht bis acht Uhr im Bett.

Viele Schriftsteller*innen finden, dass ihre Figuren ein Eigenleben entwickeln. Haben Ihre Protagonisten Sie schon mal überrascht?

Das ist eine gute Frage. Vor vielen Jahren, bevor ich mit dem Schreiben anfing, las ich den Blog eines berühmten norwegischen Autors. Darin berichtete er, dass seine Figuren manchmal ihr eigenes Leben zu führen begannen. Fast so, als hätte er die Kontrolle über sie verloren. Und ich dachte: »Ja, ja, genau.« Ich glaubte ihm nicht, sondern hielt ihn einfach für überheblich. Als ich dann anfing, selbst zu schreiben, verstand ich, dass er absolut recht hatte. Anton Brekke kann mich immer noch überraschen, auch wenn das nicht sehr oft passiert. Aber ja, ich muss gestehen, dass sich die Geschichte manchmal in eine komplett andere Richtung entwickelt, als ich sie ursprünglich geplant hatte.

Figuren wie Stig Hellum, Ihr Serienmörder aus »Nachtjagd«, morden mit erschreckender Grausamkeit. Wie fühlt es sich an, diese Fantasien im Kopf zu haben – machen Ihnen Ihre eigenen Geschichten manchmal Angst?

Nein, sie machen mir keine Angst. Ich schreibe gerne über Anton Brekke und die polizeilichen Ermittlungen, aber am liebsten schreibe ich über die Bösewichte. Stig Hellum ist das pure Böse, und nach neun Büchern und unzähligen Mördern und Psychopathen, habe ich natürlich einige Lieblingsbösewichte. Ich sage nicht, dass Stig Hellum ganz oben auf dieser Liste steht, aber ich sage auch nicht, dass er es nicht tut …


Copyright: Goldmann Verlag

Nachtjagd

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